Taxi
den Motor aus, zog den Zündschlüssel ab und steckte ihn tief in die Hosentasche.
»Wir können hier auch bis morgen früh stehen bleiben, aber ich werde euch ganz bestimmt nicht fahren.«
»Du dumme Fotze.«
Er sammelte geräuschvoll Schleim im Rachen und rotzte ihn mit nach vorne schnellendem Kopf auf meine Lederjacke.
»Komm«, sagte einer seiner Freunde und zog ihn mit nach draußen. Dort standen schon die anderen beiden und pöbelten Unverständliches. Der Anführer beugte sich noch einmal ins Taxi und rotzte auf den Rücksitz, dann knallte er mit aller Wucht die Tür zu. Während ein Hagel von Spucke und Schleimklumpen gegen die Heckscheibe des Taxis pladderte, drückte ich die Zentralverriegelung herunter und holte den Zündschlüssel wieder aus der Hosentasche. Ich startete den Motor, schaltete in den Rückwärtsgang, gab Gas, bis der Motor aufheulte, und ließ dann ruckartig die Kupplung los. Der Wagen machte einen Satz rückwärts, aber die Jungen hatten gute Reflexe und sprangen zur Seite. Das Gepöbel wurde nun lauter und aufgeregter, und während ich den abgesoffenen Motor startete und den ersten Gang einlegte, stürzten sie sich schon auf den armen Mercedes und traten gegen das Blech. Ich wollte zum Abschied lässig grüßen, ließ es aber, als ich merkte, dass meine Hände zitterten. Der Anführer der kleinen Gangster schlug die flache Hand gegen das Fenster der Beifahrertür.
»Mach auf«, schrie er und bemühte sich, seinem hassverzerrten Gesicht einen vertrauenerweckenden Ausdruck zu geben. »Mach auf, ich will nur reden.«
Da musste ich dann doch lachen.
25
»Letztlich war es natürlich Glück, dass ich keinen erwischt habe«, sagte ich zu Dietrich und Rüdiger im Schweinske. »Das hätte mich den Taxenschein kosten können, und dann hätte ich womöglich auch noch deren ganzen bescheuerten Familienclan am Hals gehabt.«
»Erst mal hättest du die deutsche Justiz am Hals gehabt«, sagte Dietrich. »Das ist nämlich Körperverletzung, was du da versucht hast.«
»Von wegen verletzen – die sollten sterben«, sagte ich.
»Ach? Keine Freude mehr an der Multi-Kulti-Gesellschaft?«, fragte Rüdiger.
»Keine Freude an sechzehnjährigen Jungs jeglicher Nationalität.«
»Auf die brauchst du nicht sauer zu sein«, sagte Dietrich. »Denen geht das schlimm genug. Die werden zu Hause jeden Tag von ihren Vätern verdroschen. Wenn nicht von den Vätern, dann von den großen Brüdern.«
»Ach Gott, die Armen«, sagte ich, »so ganz ohne Liebe aufgewachsen.«
»Da liegst du wahrscheinlich gar nicht mal so falsch«, sagte Dietrich.
»Na und? Wer sagt denn, dass die Liebe wollen? Vielleicht ist es ja ein viel schöneres Gefühl, andere Leute anzurotzen. Man sollte es einmal ausprobieren.«
»Nun steiger dich da nicht rein«, sagte Dietrich.
»Doch«, sagte ich. »Die sollen sterben. Das sind schlechte, bösartige Menschen. Stell dir vor, du wärst in einem Gefängnis, in dem solche Typen das Sagen haben. Die wollen keine Liebe. Die wollen was ganz anderes.«
Rüdiger stand auf und ging zur Toilette. Ich wartete, bis er außer Hörweite war.
»Oder stell dir vor, Rüdiger wäre Aufseher in einem Lager. Es ist Krieg, alles geht drunter und drüber, niemand kuckt ihm auf die Finger, und der hat da ein Gefangenenlager unter sich. Was meinst du, was der machen würde? Zuerst mit den Frauen und dann mit allen Männern, die größer sind als er. Was denkst du, was er mit mir machen würde?«
»So ein Quatsch«, sagte Dietrich. »Rüdiger redet viel, aber das heißt doch nicht, dass er das alles ernst meint.«
»Ach nein? Was meinst du denn, was passiert, wenn Rüdiger die Gelegenheit bekommt, mit mir zu machen, was er will. Straffrei! Dass er plötzlich die weiche Seite in sich entdeckt? Denkst du, der geht dann in den Widerstand, um mich zu retten?«
»Jedenfalls würde er dir nichts antun«, sagte Dietrich gereizt. Rüdiger kam zurück und sah unser betretenes Schweigen.
»Ist was?«
»Wir haben uns gerade gefragt, ob man es vorher wissen kann, wie sich jemand benehmen würde, wenn er plötzlich uneingeschränkte Macht über andere bekäme«, sagte ich schnell.
»Du meinst, ob man einem Menschen ansehen kann, wie sehr er die moralischen Maßstäbe der Zivilisation verinnerlicht hat?«
»Ja, was bleibt übrig, wenn man das bisschen Zivilisationstünche herunterkratzt? Wer reißt als Erster den Arm hoch, wenn ein Erschießungskommando zusammengestellt wird? Denk doch mal an diese ganzen
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