Taxi
den linken Arm um den linken Vorderreifen gelegt und popelte mit einem Schraubenzieher im Gestänge herum. Er trug wieder den Blaumann, der ihm so gut stand.
»Na, hilfst du mal wieder aus?«, fragte ich.
»Ja, scheint so«, brummte Nusske hinter seinem Reifen hervor.
Ich setzte mich auf eine rote Tonne. Neben der Tonne lag ein Motorblock, in den ein verschmiertes Feinrippunterhemd hineingestopft war. Da stellte ich meine Füße drauf.
»Udo meint, du wärst gleich mit dem Zwovierfünf fertig. Sonst ist nämlich kein Wagen mehr da.«
»Willst du darauf warten? Das dauert mindestens noch eine Stunde. Vielleicht auch zwei.«
»Sonst muss ich mein plattes Fahrrad nach Hause schieben. Das dauert genauso lange.«
»Hol dein Fahrrad doch rein. Das reparieren wir gleich mit«, sagte Nusske. Er hatte erstaunlich lange Wimpern. Wenn er nach unten schaute, um sich einen neuen Schraubenzieher vom Rollwagen zu nehmen, lagen die Wimpern beinahe auf seinen Wangenknochen auf.
Ich ging mein Fahrrad holen und stellte es neben dem Werkstatttisch auf Lenker und Sattel. Udo-Dreidoppelsieben schloss gerade das Büro ab.
»Tschüss, ich geh jetzt«, rief er zu uns hinein.
»Wieso ist eigentlich Mustafa nicht da«, fragte ich Nusske. »Hat der Urlaub? Ich hab den schon ewig nicht mehr gesehen.«
»Den hab ich entlassen«, sagte Nusske. »Können wir uns nicht mehr leisten.«
»Und wer macht jetzt die Werkstatt?«
»Na wer wohl?«
»Ich dachte, du hast eine eigene Werkstatt?«
»Da arbeite ich tagsüber. Tagsüber in meiner Werkstatt und hinterher hier.«
Nusske hatte einen schwarzen Schmierstreifen quer über dem Gesicht. Das machte mich ganz schwach.
»Und wann schläfst du?«
»Gar nicht«, sagte Nusske, »das kann ich mir nicht leisten. Ich hab alles durchgerechnet und die Kosten auf ein Minimum runtergefahren. Wenn nichts dazwischenkommt, sind wir in vier Jahren die Kredite los, aber auch nur, wenn ich mir kein Gehalt auszahle.«
»Ich dachte, der Laden gehört Udo?«
»Tut er auch. Aber Udo kriegt ja nichts gebacken. Der wollte ja nicht mal die Putzfrau entlassen.«
»Versteh ich nicht«, sagte ich. »Der Betrieb ist doch bisher immer bestens gelaufen. Wieso trägt der sich plötzlich nicht mehr. So viel kann Udo in den paar Wochen doch gar nicht falsch gemacht haben.«
»Ich hab mir mal die Bücher angeschaut. Und dann hab ich auch mit Mustafa gesprochen. So wie es aussieht, konnte Mergolan bloß deswegen existieren, weil die alle paar Wochen ein Taxi zu Schrott gefahren haben. Dann haben sie die Versicherungsprämie kassiert und den Wagen irgendwie wieder zusammengeflickt. Dadurch hatten die praktisch keine Anschaffungskosten.«
Ich baute das Vorderrad aus und suchte nach einem stumpfen Schraubenzieher, um den Mantel des Reifens von der Felge zu heben. Ein Teil der Werkzeuge hing an einer Blechwand. Die Maulschlüssel glänzten silbern und waren nach Größe sortiert wie die sorgfältig präparierten Rippen eines Dinosaurierfundes. Auf dem Tisch darunter standen mehrere Ramschkisten. Die Hämmer, Schraubenzieher und Zangen darin waren allesamt mit einer schwarzen fettigen Schicht überzogen. Ich fand, was ich brauchte, und zog den Schlauch aus dem Fahrradreifen. Nusske klopfte währenddessen mit einem Hammer auf der Achse des Zwovierfünf herum.
»Na, irgendwann habt ihr auch den ersten Totalschaden«, sagte ich.
»Ich brauch den nicht irgendwann; ich brauch den jeden Monat«, sagte Nusske. »Ihr fahrt zwar alle wie die Henker und macht alles Mögliche kaputt, aber so ein richtig schöner Totalschaden war bisher einfach nicht dabei.«
Er hieb noch dreimal wütend auf das Gestänge ein, dann ließ er den Hammer sinken.
»Das wird heute nichts mehr. Ich muss erst irgendwo ’ne andere Achse ausbauen.«
Er kam zu mir und nahm mir den Fahrradschlauch aus der Hand.
»Gib mal her. Das kann ich ja nicht mit ansehen.«
Er wühlte in einem der Ramschkästen herum und machte sich dann ans Flicken, während ich den Wandkalender mit den nackten Mädchen auf Motorhauben durchblätterte. Fünf Minuten später baute Nusske den aufgepumpten Vorderreifen wieder ein.
»Das hätte ich auch selber hingekriegt«, sagte ich.
»Ja, aber dann hätten wir hier morgen noch gesessen. Und ich bin sowieso spät dran, weil vorhin noch Udo-Zwonullfünf eine Stunde auf mich eingeredet hat. Der quatscht einem ständig die Ohren voll, wegen seiner verschwundenen Freundin. Auch so’n Pflegefall. Ihr Taxifahrer seid doch alle irgendwie
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