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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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verbitterten, kranken Typen, die wir Nacht für Nacht durch die Gegend karren. Denen fehlt doch bloß die Gelegenheit. Findest du nicht auch, dass man es ihnen ansieht, wie sie sich verhalten würden?«
    Rüdiger drückte sich an mir vorbei, blieb dann aber vor seinem Stuhl stehen, ohne sich zu setzen. Er gab seinem großflächigen Kindergesicht eine herablassend mitleidige Miene. »Wahrscheinlich ja. Aber man muss schon ein verunsichertes kleines Mädchen mit Sexualängsten sein, um sich jedes Mal diese Frage zu stellen. Und woran willst du die guten, sanften Männer erkennen? An der Trinkgeldhöhe?«
    »Die sanften sind die allerschlimmsten«, sagte ich. »Und bei den anderen muss man sich nur anschauen, was sie sich herausnehmen, solange es noch ein funktionierendes Rechtssystem gibt. Dann kann man hochrechnen, wie sie sich benehmen, wenn es das plötzlich nicht mehr gibt.«
    »Das Dilemma der Triebhaftigkeit ist natürlich nicht zu lösen«, sagte Rüdiger. »Frauen wollen ja schließlich auch niedergeworfen und genommen werden. Auch wenn sie immer behaupten …«
    Taximörder und Udo-Zwonullfünf kamen herein.
    »Habt ihr das schon gehört mit Mergolan und dem Blitzfunk? Udo-Dreidoppelsieben will den ganzen Betrieb auf Blitzfunk umstellen.«
    »Zu den Grünen?«, rief Rüdiger. »Ich fass es nicht! Wieso denn zu den Grünen? Ist der nicht ganz dicht? Warum ist er nicht wenigstens zum Hansa gegangen?«
    »Die würden ihn mit seinen Schrottkisten doch überhaupt nicht nehmen. Und beim Blitz hat er irgendwelche Sonderkonditionen gekriegt, weil er gleich mit allen zwanzig Wagen rüber ist.«
    »Muss man beim Blitz nicht immer diese Nicaragua-Schichten fahren und sein ganzes Geld spenden?«, fragte Rüdiger.
    »Nee«, sagte ich, »du verwechselst das mit dem Regenbogenfunk.«
    »Doch. Beim Blitz ist das auch so«, sagte Taximörder.
    »Okay, das war’s dann«, sagte Dietrich. »Ich kündige und geh zum Hansa.«
    »Ich geh auch zum Hansa«, sagte Rüdiger.
    Ich hatte mich schon lange gewundert, dass Dietrich und die anderen immer noch bei Udo-Dreidoppelsieben für den Wandsbeker fuhren. Jeder wusste, dass man bei einer Firma mit Hansa-Funk-Taxis mehr verdienen konnte. Bei mir war es ja klar, warum ich mich nicht von der Stelle rührte. Jetzt erst begriff ich, dass die anderen genauso viel Angst vor Veränderung hatten. Unflexible Menschen wie wir, die lieber bei etwas Schlechtem blieben, als sich etwas Neuem auszuliefern, waren das Fundament von Schrottbetrieben wie Mergolan.
    »Was ist mit dir«, fragte Dietrich, »du willst doch nicht etwa bei den Mergolan bleiben?«
    »Doch«, sagte ich. »Ich lass das alles, wie es ist. Schlimm genug, wenn ich von den Wandsen zum Blitz wechseln muss. Ich will mich dann nicht auch noch an eine neue Firma gewöhnen müssen.«
    »Ich bleib auch«, sagte Taximörder. »Wenn wir jetzt alle gleichzeitig abhauen, geht Udo noch schneller pleite.«
    »Hat ihn ja keiner gezwungen, zum Blitz zu wechseln«, sagte Rüdiger.
26
    Majewski zog sein Leinenjackett aus, das wie alle seine Kleider lappig und zerdrückt aussah, als hätte er darin geschlafen.
    »Erzähl mal, wie der Test bei Mensa war«, sagte er.
    Ich legte die Hand auf sein violettes Seidenhemd. Es war so warm, als wäre es ein Teil seines Körpers. Majewski knöpfte es auf.
    »Schwierig«, sagte ich. »Viel schwieriger, als ich gedacht habe. Das waren immer so Aufgabengruppen. Und einige davon habe ich nicht einmal vollständig beantworten können, da hat der Prüfer schon auf die Stoppuhr gedrückt, und schon war die nächste Aufgabengruppe dran.«
    »Dirk, einer von den Paddlern, hat übrigens auch gleich gewusst, dass aus uns was wird«, sagte Majewski. »Der hat mich noch am selben Abend angerufen und gefragt: Na, liegt sie jetzt neben dir im Bett? Nee, habe ich gesagt, wie kommst du denn da drauf?«
    »Was ist das denn?« Majewski hatte sein Hemd ausgezogen. Auf seiner Brust war ein riesiger grünblauer Bluterguss mit blutigem Schorf darauf.
    »Ach das. Da hat Heike mich gebissen, als ich ihr nicht versprechen wollte, dich nicht mehr zu sehen. Sie hat wie am Spieß geschrien und mich gebissen, und dann wollte sie weglaufen. Als ich versucht habe, sie festzuhalten, hat sie mir voll in die Eier getreten.«
    Wir legten uns auf den Boden. Majewski knöpfte auch mein Hemd auf und zog es mir aus. Dann kniete er sich hinter meinen Kopf. Er küsste meine Stirn, meinen Mund, meinen Hals, meinen Busen, seine Lippen tupften über meinen

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