Taxi
Flachlandgorillas. Ich überwies ihnen zehn Mark. Wenige Wochen später erhielt ich einen zweiten Brief des WWF . Diesmal machten sie gegen das Tragen von exotischen Pelzmänteln mobil. Gleichzeitig wurde um eine Spende für bedrohte, in Mangrovensümpfen hausende Tiger gebeten. Was war das denn? Als Nächstes sollte ich womöglich noch für Leoparden spenden. War denen nicht klar, dass Leoparden sich auch gern einmal ein Gorillajunges schnappten? Wer für die Affen war, konnte doch nicht gleichzeitig auch noch für irgendwelche Großkatzen sein. Ich wollte, dass es den Gorillas besser ging. Mehr Urwald, mehr Sicherheit, bessere Gesundheit – aber ausschließlich für die Gorillas. Eine Förderung der Leopardenpopulation würde die Situation der Gorillas doch bloß noch verschlimmern. Aber der WWF schien es für eine gute Sache zu halten, wenn es möglichst viele verschiedene Tiere auf diesem Planeten gab. Ich sah das völlig anders. Eine große Artenvielfalt bedeutete doch bloß, dass sich alle gegenseitig an die Gurgel gingen. Ich fand es gut, wenn Tierarten ausstarben. Dem ausgestorbenen Bali-Tiger konnte man doch eigentlich nur gratulieren: Herzlichen Glückwunsch, lieber Bali-Tiger. Nie mehr Hunger, nie mehr Revierstreitigkeiten, nie mehr Parasiten, nie mehr sexuelle Frustrationen, nie mehr Schmerzen, nie mehr Todesangst. Und besonders viel verpasst hast du auch nicht. Für die noch existierenden Tiere war sein Aussterben ebenfalls ein Glück. Ich mochte gar nicht ausrechnen, wie viel hundert Antilopen oder Gazellen, oder was immer diese Biester fraßen, zerrissen werden müssten, um auch nur einen einzigen Bali-Tiger bis zur Geschlechtsreife zu ernähren. Von mir gab es keinen Pfennig für bedrohte Großkatzen.
30
Ich schlich auf Socken durchs dunkle Treppenhaus. Aus Dietrichs Wohnung drangen Fernsehgeräusche. Eine Tennisübertragung. Ich hob einen Fuß und ließ ihn über Zehen und Ballen langsam abrollen, schob mich an Dietrichs Tür vorbei und stieg die nächsten beiden Treppen hinauf. Bei der vorsichtigsten Gewichtsverlagerung knarrten und ächzten die alten Stufen. Es war beschämend. Lächerlich. Wie eine Szene aus einem tolldreisten Schwank. Leise klopfte ich an Majewskis Tür. Nichts. Was war los? Wir waren verabredet. Darauf musste er doch die ganze Zeit gewartet haben. Ich klopfte lauter, ich klingelte. Diese Klingel hörte man durchs ganze Haus. Er öffnete nicht. Ich horchte an seiner Tür. Absolute Stille. Also schlich ich die knarrende Treppe wieder hinunter, tastete mich an Dietrichs Wohnung vorbei. Ich rief bei Majewski an.
»Oh«, sagt er in den Telefonhörer, »ich habe dich nicht gehört. Ich habe mir Steffi Graf im Fernsehen angeschaut. Dabei muss ich dich überhört haben.«
Ich schlich wieder hinauf. Knarrende Stufen, Fernsehlärm aus Dietrichs Wohnung, noch mal knarrende Stufen. Erbärmlich war das, wie ich mich benahm, würdelos. Diesmal war die Tür zu Majewskis Wohnung nur angelehnt. Er stand dahinter.
»Wieso hörst du das nicht, wenn ich klingel? So laut kann dein Fernseher doch gar nicht gewesen sein. Ich hab jedenfalls nichts gehört, als ich vor deiner Tür …«
Majewski stülpte seine Lippen über meinen Mund, küsste mich lange und fragte dann:
»Stört es dich, dass ich heute bei Heike war?«
»Stört’s dich?«, fragte ich.
Er zog mich an den ganzen Pappkartons vorbei ins Schlafzimmer und ließ sich mit mir auf sein schwabbelndes Bett fallen. In erstaunlicher Geschwindigkeit zog er abwechselnd sich und mir sämtliche Kleidungsstücke aus.
»Stört es dich eigentlich, dass ich jünger bin als du?«
»Außerdem bist du auch noch kleiner.«
»Aber kaum. Findest du das schlimm?«
Er legte sich auf mich und griff in meine linke Kniekehle.
»He«, sagte ich, »wie wäre es mit einem Gummi?«
»Ach komm. Wir machen ein bisschen ohne.«
»Bist du verrückt? Wie viele Kinder hast du schon?«
»Wir bumsen gar nicht richtig. Komm, ich will nur kurz in dich rein.«
Er küsste mich wieder und krallte die Finger in mein Knie.
»Komm. Ist doch nur Spaß!«
Ich schaute zu, wie er über mir auf und ab schwebte. Er schob Kinn und Unterlippe vor, was seinem Gesicht einen etwas brutalen und dummen Ausdruck gab, der mir gefiel. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, zog sein Gesicht zu mir herunter und biss in diesen dummen Mund.
»Okay«, sagte ich, »und jetzt geh raus.«
»Ach, ich pass schon auf. Nur noch ein kleines bisschen.«
»Geh raus, verdammt noch mal. Geh
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