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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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klar, dass es meine Aufgabe ist, sie Ihnen mitzuteilen.
    Ihre Gisela Kleiber, 1. Sekretärin des Gewinnspielleiters.«
45
    Aus der Reportage über Mensa wurde nichts. Majewski hatte tatsächlich ein Gespräch mit einem Spiegel-Redakteur für mich arrangiert, aber der fand die Idee nicht überzeugend. Ich bestärkte den Redakteur in seiner Meinung und verließ erleichtert das Spiegel-Hochhaus. Ich war mir keineswegs sicher, ob ich so eine Geschichte überhaupt hätte schreiben können. Trotzdem wollte ich zu dem Mensa-Treffen gehen. In Hamburg hatte sich eine neue Regionalgruppe gegründet. Ich zog mich gerade dafür um, als Majewski anrief, ob ich nicht mal kurz zu ihm herauf kommen könnte.
    »Oh, so fein gemacht«, sagt er voller Abneigung, als ich eintrat. Ich trug einen schwarzen Rollkragenpullover.
    »Ja«, sagte ich, »worum geht’s denn?«
    »Ich dachte, wir könnten mal wieder miteinander ins Bett gehen.«
    »Jetzt? Du weißt doch, dass ich jetzt zu diesem Treffen will.«
    »Oder du machst es mir schnell mit dem Mund. Da hätte ich Lust zu. Ich hätte Lust, dir voll ins Gesicht zu spritzen, dass du es dir ganz angeekelt abwischst.«
    »Also echt. Hast du sie noch alle?«
    Er griff nach einem Glas Mineralwasser, das auf einem der vielen Pappkartons stand, und trank einen Schluck.
    »Was würdest du sagen, wenn ich dir das Wasser über den Pullover kippe?«
    »Das wirst du nicht tun!«
    Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen reiner Bosheit. Mit einem Schwung goss er das Wasser auf mich. Ich schlug ihm ins Gesicht. Beides passierte fast gleichzeitig. Es war wie ein Reflex. Ich hatte noch nie jemanden geschlagen. Es fühlte sich gar nicht mal schlecht an. Majewski blieb einen Augenblick verdutzt stehen und hielt sich wie ein Kind die Hand an die Wange. Dann lachte er los.
    »Uih, toll! Du haust ja richtig zu. Hätte ich nie erwartet.«
    »Idiot«, sagte ich und knallte die Tür hinter mir zu.
    Im Treppenhaus begegnete ich natürlich auch noch Dietrich. In den letzten Tagen hatte er bestimmt fünf Kilo abgenommen. Große Käthe-Kollwitz-Augen schauten aus seinem hageren Gesicht. Anklagend zeigten seine spitzen Wangenknochen in meine Richtung.
    »Ich weiß, ich hätte längst ausziehen müssen«, sagte ich, »aber ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll. Muss ich meine Wohnung erst kündigen und dann eine neue suchen, oder muss ich erst eine neue Wohnung haben und dann mehrere Monate lang doppelt Miete zahlen. Ich weiß, es ist unangemessen, dich jetzt noch um Hilfe zu bitten, aber es ist ja auch in deinem Interesse …«
    »Du brauchst nicht auszuziehen«, sagte Dietrich, »das Arschloch soll ausziehen.«
    »Ist Majewski tatsächlich noch bei dir aufgekreuzt? Tut mir leid. Wie war’s denn?«
    »Der hat sich völlig bescheuert aufgeführt. Hat die ganze Zeit bloß am Tisch gesessen und mich angeglotzt. Udo war da und hat ihn gefragt, was er eigentlich wolle, und Majewski ist keine Antwort eingefallen. Der wollte sich wahrscheinlich daran aufmanteln, wie schlecht es mir geht. Als ich gesagt habe, dass du mir viel bedeutest, ist er richtig aufgeblüht. Als wenn der gerade seinen Schuss bekommen hätte. Wann schläfst du mal wieder bei mir?«
    »Tut mir leid, gar nicht mehr.«
    »Glaub ich nicht«, sagte Dietrich.
    Ich drückte mich schnell an ihm vorbei und verschwand in meiner Wohnung, um mich umzuziehen. Dietrich kam mir nicht nach. Aber er wollte mich immer noch. Egal, wie mies ich mich benommen hatte. Auf meinen Charakter kam es ihm nicht so an. Wahrscheinlich saß er jetzt schon wieder da oben in seiner Wohnung und verbesserte eines der Bilder von mir. Malte den Busen größer oder den Hintern kleiner. Sowie Majewski das Interesse an mir verloren hatte, würde Dietrich bereitstehen, um mir zu verzeihen und mich mit ausgebreiteten Armen wieder aufzunehmen. Ich durfte Majewski auf keinen Fall verlassen. Er war so etwas wie eine Schutzimpfung.
46
    Das Mensa-Treffen fand in einer schneeweißen Altbauwohnung in der Nähe des Hauptbahnhofs statt. Etwa dreißig Intelligenzbestien saßen im größten Zimmer und hörten dem neuen Hamburger Gruppenleiter zu. Der Vortrag des Gruppenleiters handelte davon, wie schlimm es sei, dass so viele Schulkinder mit Tabletten ruhiggestellt wurden. Ich fragte mich, was das sollte. Es war unwahrscheinlich, dass sich irgendjemand im Raum aufhielt, der es toll fand, Kinder mit Psychopharmaka vollzustopfen. Bei wem wollte der sich anwanzen? Ich verzog mich ins Bad.

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