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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Neben der Toilette lag ein rotgelbes Buch von L. Ron Hubbard. Als ich wieder aus dem Bad kam, war der Vortrag beendet und ich geriet in eine Gruppe schlecht angezogener Männer.
    »Habt ihr schon das Buch neben der Toilette gesehen?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte ein Blonder im grauen Wollpullunder, »haben wir alle schon gesehen. Fragt sich bloß, was der hier eigentlich unterwandern will.«
    Wir tranken Sekt. Unsere Berufe machten nicht viel her, deswegen hielten wir uns damit nicht allzu lange auf, sondern fragten uns lieber nach unseren Intelligenzquotienten. Ich hatte befürchtet, die Dümmste zu sein, doch wie sich herausstellte, hatten die anderen den Test auch bloß gerade so eben bestanden. Nur Reinhard, ein Mittdreißiger, dessen lange Schnurrbartenden zu Schnecken gerollt waren, hatte einen IQ von hundertachtundfünfzig.
    »Wie kommt es, dass keiner von uns einen besseren Job hat«, fragte Knuth in die Runde. Knuth war Vertreter für Melkanlagen und wie ich zum ersten Mal auf einem Mensa-Treffen. Sein IQ betrug sogar nur hundertdreißig. »Das fällt doch auf! Heißt das, dass Intelligenz überhaupt nichts nützt?«
    »Die Spitzenpositionen in Forschung und Wissenschaft sind natürlich alle von hochintelligenten Leuten besetzt«, behauptete Reinhard, der Primus. »Die haben bloß keine Zeit, um bei Mensa mitzumachen.«
    »Reines Wunschdenken«, sagte ich. »Auf Spitzenpositionen sitzen weder die Intelligentesten noch die Geeignetsten. Da sitzen immer die Aggressivsten und Durchsetzungsfähigsten – talent- und charakterlose Mistkerle.«
    »Unwahrscheinlich«, sagte Reinhard. »Das Penicillin wurde ja wohl nicht durch Aggressivität entdeckt. Aber jemand, der sowieso schon den Nobelpreis hat, hat es wohl kaum nötig, auch noch bei Mensa einzutreten, um sich irgendetwas zu beweisen. Und gleichrangige Gesprächspartner findet er an seinem Arbeitsplatz genug.«
    Ich war mir nicht so sicher, ob das Penicillin durch Intelligenz entdeckt worden war. Ein bebrillter Teenager, dessen Namen ich schon wieder vergessen hatte, warf ein, dass doch sowieso keiner genau wüsste, was Intelligenz eigentlich sei.
    »Oder kennt hier jemand eine eindeutige Definition?«
    »Intelligenz ist das, was sich mit einem Intelligenztest messen lässt«, sagte Reinhard. »Und nach Stephen W. Hawking hat das Universum womöglich deswegen Intelligenz hervorgebracht, um über sich selbst nachzudenken.«
    Ich ging noch einmal ins Badezimmer, schloss hinter mir ab und sah in den Spiegel. Ich war froh, dass ich so gut aussah. Die äußere Erscheinung war doch ein verlässlicherer Wert als so eine schwammige Angelegenheit wie Intelligenz. Mir kamen die Mensa-Mitglieder jedenfalls nicht besonders helle vor. Und Stephen W. Hawking auch nicht. Wer auch nur einen flüchtigen Blick auf die Evolution warf, konnte unschwer erkennen, dass sie bisher nicht zielgerichtet verlaufen war, schon gar nicht auf ein Ziel hin, das intelligenter Primat hieß. Intelligenz war nur eine Evolutionsidee von vielen, wie Kiemenatmung oder ein Horn auf der Nase. Möglicherweise war sie sogar bloß eine zum Aussterben verurteilte Schrulle der Natur. Sie hinderte Menschen nicht daran, Pullunder anzuziehen, die ihre Fortpflanzungschancen minimierten, und verdarb ihnen auch sonst die gute Laune.
    Als ich das Treffen verließ, stach mir auf der Straße ein Auto ins Auge, auf dessen Kennzeichen doch tatsächlich HH-IQ 158 stand.
47
    »Zwodoppelvier.«
    » Ja, Zwodoppelvier.«
    »Zwodoppelvier, Sie möchten bitte einen Jens Majewski anrufen. Es sei dringend.«
    » Ist gut. Danke Zwodoppelvier.«
    »Danke Zwodoppelvier.«
    Ich parkte neben einer Telefonzelle und wählte seine Nummer. Zuerst sprang der Anrufbeantworter an, aber kaum hatte ich etwas gesagt, meldete Majewski sich selbst.
    »Ja? Bist du’s?« Er sprach gepresst. »Die Sache hat sich zugespitzt. Du weißt doch, die Geschichte mit den Pitbulls, die Story, die ich über die Hundekämpfe gemacht habe. Und jetzt sind die Zuhälter hinter mir her. Ständig ist jemand bei mir auf dem Anrufbeantworter, der seinen Namen nicht nennt und zurückgerufen werden will.«
    »Was wollen die denn?«
    »Die wollen von mir den Namen des Verbindungsmanns – ist doch klar. Die Trottel von Geo haben doch tatsächlich meinen Namen unter den Artikel gesetzt, obwohl ich extra gesagt habe, dass die das auf gar keinen Fall dürfen. Der Fotograf ist auch stinksauer. Hinter dem sind die auch her. Kannst du mal eben vorbeikommen und mir

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