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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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aufschließen? Ich muss erst mal bei dir unterkriechen – kann ich doch?«
    Ich fuhr nach Hause, parkte das Taxi in der Feuerwehreinfahrt des Kindergartens und stieg die Treppe hoch. Als ich bei Majewski klopfte, verdeckte ich gleichzeitig mit der Hand den Türspion.
    »Wer ist da?«
    Seine Stimme klang immer noch gepresst.
    »Der Zuhälter.«
    Majewski riss die Tür auf.
    »Ich glaube, du verkennst die Lage.«
    Er hatte tatsächlich Angst. Und er war gereizt, dass ich mich nicht genug um ihn sorgte. Ohne große Begeisterung gab ich ihm den Schlüssel zu meiner Wohnung.
    »Für wie lange denn?«
    »Nicht lange. In fünf Tagen fahr ich sowieso in Urlaub. Jetzt muss ich noch mal kurz zum Verlag. Aber danach können wir essen gehen. Warte in deiner Wohnung auf mich.«
    Um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, auf Majewski zu warten, setzte ich mich sofort wieder ins Taxi. Ich fuhr ein paar kleinere Touren, vom Karl-Muck-Platz zum Hauptbahnhof, von der langen Reihe zur Reeperbahn, vom Pferdemarkt zum Chesa. Als ich am frühen Morgen nach Hause kam, lag Majewski in meinem Bett. Er war noch wach und wollte unbedingt mit mir schlafen. Er küsste mich auf die Augen, streichelte meine Schultern und stammelte, wie sehr er mich vermisst hätte. Ich wurde nicht schlau aus Majewski. Normalerweise besaß ich für ihn nicht mehr seelische Realität als ein Straßenpoller, und jetzt plötzlich zeigte er alle Anzeichen tiefer, verzweifelter Liebe.
    Später, als es draußen bereits hell wurde, wühlte Majewski seine Nase in mein Haar, schlang die Arme um mich, drückte seinen Bauch an meinen Rücken und schlief eng an mich geschmiegt ein. Diesmal schlief ich ebenfalls ein. Als ich am nächsten Tag erwachte, lagen wir noch genauso da.
48
    Ich sah Tossi am Halteplatz vor dem Mönkebergbrunnen stehen. Seinetwegen stellte ich mich hinten an der Schlange an. Sonst stand ich hier selten.
    »Na, wie läuft’s?«
    »Nicht so. Mir ist gestern Geld aus dem Portemonnaie geklaut worden. Ich war natürlich selber schuld. Ich hatte es in der Mittelkonsole liegen lassen. Und ich habe erst am Ende der Schicht gemerkt, dass zwei Fünfziger fehlten.«
    »Die Fahrgäste sind doch alle Dreckhecken«, sagte ich.
    »Ach komm, das stimmt doch gar nicht«, sagte Tossi. »Also meine Fahrgäste sind meistens nett.«
    Ich sah ihn verblüfft an. Ich war immer davon ausgegangen, dass alle Taxifahrer ihre Kunden für den Abschaum der Menschheit hielten. Fahrgäste waren Gesindel. Reiche Fahrgäste waren vergoldetes Gesindel. Nette Menschen fuhren nicht Taxi.
    »Gib’s zu – die meisten sind nett«, sagte Tossi.
    Ich überlegte. Einer fiel mir ein. Ein dicker Mann, der seinen riesigen alten Rottweiler zum Tierarzt transportiert hatte und die ganze Zeit weinen musste, aus lauter Sorge, dass dem stinkenden, sabbernden Biest etwas Ernstes fehlen könnte. Und dann natürlich die schüchternen, sich ständig für alles entschuldigenden alten Muttchen.
    »Ich hab sogar meine beste Freundin im Taxi kennengelernt«, sagte Tossi. »Vor ein paar Monaten ist die bei mir eingestiegen und hat gefragt, ob ich wüsste, wo sie eine Zahnbürste kaufen könnte. Die war gerade Hals über Kopf aus ihrer Wohnung raus, um vor ihrem Freund zu flüchten. Sie wollte eigentlich bei einer Freundin unterkriechen, und ich hab ihr dann angeboten, dass sie erst mal bei mir wohnen könnte. Wir waren auch kurz zusammen, haben aber schnell gemerkt, dass das nichts wird. Seitdem sind wir befreundet.«
    »Wie heißt die?«, fragte ich. »Heißt die Ellen?«
    »Oh verdammt. Du kennst doch nicht etwa ihren Freund?«
    »Und ob. Das ist Udo. Der fährt beim Hansa. Früher war der mit mir in derselben Firma. Der sucht seine Freundin immer noch. Der sucht die jede Nacht.«
    »Versprich, dass du ihm das auf keinen Fall erzählst! Ellen hat nämlich Krebs. Die hat vielleicht nicht mehr lange zu leben. Und ihr Freund war so’n Spinner, der ständig von der natürlichen Unterlegenheit der Frauen gefaselt hat. Ihr ist das vorher auch schon zu viel gewesen. Aber der war so anhänglich. Den wurde sie einfach nicht los. Und als sie dann die Krebsdiagnose bekommen hat, hat sie ihm gar nicht erst davon erzählt, sondern sofort ihre Wohnung gekündigt. Sie hat gesagt, sie will wenigstens in Ruhe sterben, ohne sich den Scheiß noch weiter anhören zu müssen. Und sie will auf keinen Fall, dass der Typ sie findet.«
    Ein Anläufer stieg bei Tossi ein.
    »Was hältst du davon, wenn wir nachher Pause im Lall

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