Taxi
Dann erst warf er einen Blick auf das demolierte Auto. Es war ein dunkelgrüner Mercedes. Die andere Hälfte der Stoßstange baumelte noch von seinem Heck. Ich war ebenfalls ausgestiegen. Alle starrten uns an. Es gab ein paar höhnische Pfiffe. Zwei oder drei Leute klatschten sogar. Ein alter Mann kam angehinkt und baute sich vor Majewski auf.
»Leute wie Sie müsste man ins Zuchthaus stecken. Ins Zuchthaus! Zwangsarbeit ist noch das Mindeste!«
Majewski wandte ihm sein Gesicht zu, sah einfach durch ihn hindurch und sagte arrogant:
»Sie haben recht. Sie haben vollkommen recht.«
Er nickte dazu ein paarmal bekräftigend. Die Leute gingen wieder ihres Weges. Doch der alte Mann ließ sich nicht so schnell abwimmeln.
»So etwas gehört ins Zuchthaus«, meckerte er monoton vor sich hin. Wir warteten auf den Besitzer des grünen Mercedes. Ich sog an meiner blutenden Unterlippe.
»Ist es dir peinlich?«, fragte Majewski. »Ich sehe dir an, dass es dir peinlich ist. Es ist dir peinlich, ja?«
»Ja, auch«, sagte ich. »Aber vor allem finde ich es beunruhigend. Ich dachte, du hast nie Unfälle. Ich dachte, es macht nichts, dass du wie ein Geisteskranker durch die Gegend rast, weil du so gut fährst, dass trotzdem nichts passiert.«
»Ach Quatsch, ich habe schon zig Unfälle gehabt. Dadurch bin ich ja damals auch in dem Krankenhaus gelandet, wo ich dann Heike kennengelernt habe.«
»Na ja, wenigstens hast du diesmal nicht vorziehen müssen.«
»Ihr gehört beide ins Zuchthaus«, sagte der alte Mann.
42
Am nächsten Tag ging ich zu Dietrich, um ihn vorzuwarnen. Ich wollte nicht, dass es ihn unvorbereitet traf, wenn Majewski bei ihm auftauchte.
Dietrich sackte förmlich in sich zusammen.
»Bist du jetzt seine dritte Freundin?«
»Es tut mir leid, dass ausgerechnet er es ist, und ausgerechnet hier im Haus. Ich bin natürlich nicht seine Freundin. Es ist nur so eine Übergangssache, sonst kommen wir doch nie auseinander. Und es tut mir leid, dass es ausgerechnet so ein Angeberidiot ist.«
»Majewski ist gar nicht so doof, wie er auf den ersten Blick wirkt«, sagte Dietrich. »Der ist schlauer als wir alle zusammen. Aus dem Bauch heraus ist der verdammt schlau. Außerdem ist das egal. Schlimm ist nur, dass es mit uns vorbei ist.«
43
Gegen elf traf ich Udo-Zwonullfünf. Sein Taxi stand als Letztes am Gänsemarkt. Er hatte sich daneben gestellt und ließ seinen Blick in alle Richtungen schweifen. Er hoffte immer noch, dass seine Freundin genauso plötzlich wieder auftauchen würde, wie sie verschwunden war. Ich parkte hinter ihm, obwohl der Posten bereits voll war. Das Heck meines Taxis ragte auf die Straße hinaus.
»Also, ich weiß nicht«, sagte ich zu Udo, »heute ist so ein Tag, da stinken alle Fahrgäste irgendwie nach Scheiße. Ist dir das auch schon mal aufgefallen, dass so viele Leute nach Scheiße stinken, oder bilde ich mir das bloß ein?«
»Nein, das ist so«, sagte Udo-Zwonullfünf. »Neulich fuhr ich so eine superreiche, total gepflegte Tante, völlig eingedieselt mit Chanel, aber durch das ganze Parfüm hindurch weht mir plötzlich dieser leichte Scheißegeruch entgegen.«
»Woran liegt das?«, fragte ich. »Putzen die sich nicht ordentlich ab, nehmen die nicht genug Papier, oder was?«
»Die sind innerlich verfault«, sagte Udo-Zwonullfünf. »Völlig vergammelt. Der Geruch dringt denen durch die Rippen.«
»Hast du schon etwas von Rüdiger gehört?«
»Der ist jetzt tatsächlich in Köln«, sagte Udo. »Aber die Veröffentlichung bei Suhrkamp – das war alles nur heiße Luft. Bevor er weggefahren ist, bin ich noch mal bei ihm gewesen. Ich hab g-gesagt er soll mir den Brief zeigen. Und d-das k-konnte er nicht. Er hat behauptet, er hätte den Brief schon eingepackt. Von wegen. Ich wette, der hat sich alles bloß ausgedacht. Würde mich nicht wundern, wenn das mit der Werbeagentur auch nicht stimmt.«
Ein junger Typ mit Fußballschal kam auf uns zu.
»Hai, ick bin heute zum erstn Mal im Westen. Ick muß zur Kieler Straße. Kann eena von euch mich vielleicht umsonst fahrn? Ick hab nämlich leida keen Westgeld. Wär echt nett, wa.«
»Wieso trägst du denn einen Hertha-Schal, wenn du aus dem Osten bist?«, fragte Udo-Zwonullfünf.
»Na, weil ick fürn Westen bin, wa?«
Ich fuhr ihn eben hin, obwohl er mir nicht sympathisch war. Hier am Gänsemarkt konnte das noch ewig dauern, und von der Kieler war es nicht mehr weit bis zur Firma.
»Dit is urst schau von dir. Mein Zug ist nämlich zu spät
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