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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Lippenpiercings und trampelte in ihren Springerstiefeln hinter uns her. Sie hatte eine unglaublich versoffene Stimme.
    »Hau ab! Verpiss dich«, sagte der chinesische Punker.
    »Ey, Alter, du bist ja so ein Aaaarsch!«, rief das Mädchen und blieb stehen. Sie sah uns nach, und während sie uns hinterherschaute, heulte sie plötzlich auf wie ein getretener Hund.
56
    Ich saß bei Majewski im BMW. Er hatte angeboten, mich zur Taxifirma zu fahren, weil ich ja jetzt kein Fahrrad mehr hatte.
    »Erinnerst du dich eigentlich noch an Brie«, fragte Majewski, »die Kleine aus dem Fotostudio? Die bei der Titelproduktion dabei war? Ich glaube, die ist hinter mir her. Ich glaube, mit Brie wäre das nicht schlecht im Bett. Vielleicht sollte ich etwas mit ihr anfangen. Oder nein? Ach nein. Nein, ich glaube, ich werde es nicht tun.«
    Versonnen hielt er den Blick in sich gekehrt, wo er nur Schönes und Herrliches sah.
    »Jens?«
    »Hmm?«
    »Mir wird das jetzt zu viel. Ich kann das nicht mehr. Ich möchte, dass wir Schluss machen.«
    Ich hatte befürchtet, dass er mir eine Szene machen würde, stattdessen schlug er einen albernen, quengeligen Ton an.
    »Ooooch! Och neee! Och nee, och nee, nicht Schluss machen!«
    »Doch«, sagte ich. »Das ist doch alles nur noch Scheiße. Du willst doch gar nicht mehr mit mir schlafen. Du ziehst bloß noch irgendwelche kranken Nummern ab. Was ist eigentlich dein Problem?«
    »Nichts, wieso?«
    Seine Augen röteten sich. Er starrte auf das Lenkrad.
    »Du vertraust mir nicht«, stieß er hervor. »Warum vertraust du mir nicht? Was habe ich dir getan? Ich liebe dich – und du redest davon, Schluss zu machen. Aber was aus uns wird, interessiert dich gar nicht, nicht wahr? Du lässt einfach zu, dass es kaputtgeht. »
    Das Unheimliche war, dass er so echt klang, als er das sagte. Er sah aus, als wenn er gleich weinen würde.
    »Ist ja gut«, sagte ich, »hör auf. Merkst du denn tatsächlich nicht, was du da machst? Wenn du mir erzählst, dass du mit Brie schlafen willst …«
    »Ich will überhaupt nicht mit Brie schlafen!«, brüllte er. »Du unterstellst mir das. Bloß weil ich sage, dass sie aussieht, wie jemand, der gut im Bett ist. Du bist das, du willst, dass ich mit Brie schlafe! Aber denk nicht, dass ich mir das länger gefallen lasse.«
    Er trat auf die Bremse, dass ich mir die Knie am Handschuhfach stieß. Hinter uns quietschten Reifen. Es wurde gehupt. Majewski langte über mich hinweg, öffnete die Beifahrertür und stieß sie ganz auf.
    »Raus!«
    »Du hast ja vielleicht einen Hau! Weißt du überhaupt, was du da redest? Wieso sollte ich wollen, dass du mit Brie schläfst?«
    »Raus!«, brüllte Majewski wie ein Irrer. Er schnappte sich meine Taxi-Tasche vom Rücksitz und pfefferte sie auf den Gehweg. Dann schubste und boxte er mich. Ich beeilte mich, aus dem Wagen zu kommen, aber in dem Moment, als ich schon einen Fuß auf der Straße hatte, lehnte Majewski sich weit zurück, winkelte sein rechtes Bein an und trat mir in die Seite, dass ich der Länge nach auf den Fußweg flog. Die Beifahrertür schlug zu. Der BMW wendete mit jaulenden Reifen über vier Spuren und raste davon. Ich rappelte mich auf und schaute, wo ich eigentlich gelandet war. Fast direkt vor dem Club Nobel. Ich klopfte mich ab, hob meine Tasche auf und ging Richtung Schlump. Dort gab es eine U-Bahn-Station.
57
    Ich war zu einer Kneipe nahe der Mundsburg gerufen worden. Ein zierlicher Mann in T-Shirt und Jogginghosen, die dünnen, fettigen Haare an den Kopf geklatscht, stand vor der Kneipe. Wie betrunken er war, merkte ich erst, als er sich nach hinten setzte, sofort zur Seite kippte und so liegen blieb. Schlagartig roch das Taxi wie eine öffentliche Toilette.
    »Nein, nein, nein, nein, nein«, sagte ich. »Steig gleich wieder aus. Ich fahr dich nicht. Sag deinem Wirt, er soll dir einen Krankenwagen rufen.«
    »Reesestraße … Hochhaus …«, sagte er. Der Gestank war wirklich unerträglich. Ich wusste, dass er kein Geld hatte. Er roch nach kein Geld. Ich fuhr ihn trotzdem zur Reesestraße. Sie war nur ein paar hundert Meter entfernt, und die Chance, dass er dort aussteigen würde, war einfach größer als die, dass es mir gelang, ihn hier wieder herauszuzerren. Aber während ich die Hamburger Straße entlangfuhr, wurde ich plötzlich wieder so wütend. So machten sie es immer, diese verdammten Säufer. Kippten sich zu, bis sie jegliche Kontrolle über sich verloren, und dann halsten sie sich einfach irgendeinem

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