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Taxi

Titel: Taxi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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kann das jetzt nicht näher erklären. Jedenfalls: Mir geht es wirklich furchtbar, und du bist der Einzige, der mir helfen kann. Bitte, lass mich nicht länger betteln. Ich mach alles genau so, wie du es möchtest, du kannst alles bestimmen und hinterher geh ich mit dir in jede Kneipe, in die du willst.«
    »Heirate mich«, sagte Marco.
    »Was?«
    »Heirate mich!«
    »Das geht nicht.« Ich versuchte zu lachen. Es klang gekünstelt. »Du weißt, dass das nicht geht. Heiraten ist was für Dummköpfe. Eine Primaten-Idee der schwachen Männchen, um die Kämpfe untereinander zu verhindern. Letztlich geht es bloß um die Verteilung der Weibchen. Und um die Befriedigung von Dominanzansprüchen. Deswegen ist es Männern ja auch so wichtig, dass ihre Frauen weniger verdienen und kleiner sind.«
    Ich redete nur noch, um Zeit zu schinden. Die Sache war bereits verloren, aber ich fürchtete mich vor dem Moment, wo ich allein auf der Straße stehen würde
    »Ich lege keinen Wert darauf, dass meine Freundin kleiner ist », sagte Marco.
    »Nee. Du nicht.«
    Das Licht ging aus. Diesmal rührte Marco sich nicht, um es wieder anzuschalten. Wir standen in dem Lichtkegel, der aus seiner Wohnung fiel. Als wären wir die Hauptattraktion in einer Zirkusnummer.
    »Wenn du mit mir schlafen willst, dann pack deine Sachen und zieh bei mir ein. Dann schlaf jede Nacht bei mir und wach jeden Morgen mit mir auf und geh mit mir zusammen im Supermarkt einkaufen. Bist du dazu bereit?«
    »Das kann ich nicht. Ich würde es sonst tun. Aber ich kann das einfach nicht.«
    »Dann sehe ich auch keinen Grund, warum ich jetzt mit dir schlafen sollte. Komm wieder, wenn du erwachsen bist.«
    »Das ist ja wie die Kriegsführung von Adolf Hitler«, sagte ich. »Bedingungslose Unterwerfung oder Vernichtung des Feindes.«
    »Ich bin nicht dein Feind. Und ich vernichte dich auch nicht gleich, bloß weil ich nicht mit dir schlafen will.«
    »Krieg ich wenigstens einen Abschiedskuss?«
    Marco überlegte.
    »Okay.«
    Ich kniete mich mitten im Treppenhaus vor ihm hin. Ich legte alles in diesen Kuss. Aber ich merkte gleich, dass ich Marco nicht umstimmen konnte. Noch bevor ich die Augen wieder aufschlug.
    »Dir ist es wirklich ernst, nicht? Du willst wirklich nicht mit mir schlafen.«
    »Das war ein sehr schöner Kuss«, sagte Marco und ließ mein Gesicht los. »Mach’s gut.«
55
    Als ich wieder auf die Straße trat, hatte der starke Regen aufgehört. Es nieselte nur noch. Ich ging zu Fuß nach Hause. Da hatte ich wenigstens etwas zu tun. Die Nässe legte sich als dünner Film auf mein Gesicht und machte mir eine Million scheußliche kleine Locken ins Haar. Von der Schanzenstraße bis zu mir war es wirklich nicht weit. Völliger Wahnsinn, dass ich mir für den Hinweg ein Taxi genommen hatte. War ich Rockefeller? Ich überlegte, ob ich nicht doch noch zur Firma fahren sollte. Es war noch nicht einmal neun. Die Nachtschicht hatte gerade erst angefangen. Den Taxischlüssel konnte ich von Nusske kriegen. Der würde wahrscheinlich noch in der Werkstatt vor sich hin basteln. Ich überlegte, ob ich etwas mit Nusske anfangen sollte. Aber Nusske sah inzwischen aus wie sein eigenes Gespenst. Der war völlig übermüdet und dachte bloß daran, seine Schulden abzuarbeiten. Und noch eine Abfuhr wollte ich mir heute auf keinen Fall antun. Auf halber Höhe der Feldstraße kam ich an einem Döner-Imbiss vorbei. Vier Punker, zwei Jungen und zwei Mädchen, drückten sich mit ihren Hunden davor herum. Ein fünfter, der größte von ihnen, stand mitten auf dem Fußweg und sprach Passanten an. Mich sehen und auf mich zusteuern war eins.
    »Eh, hast du mal ’ne Mark?«
    Er sah chinesisch aus. Ein chinesischer Punker. Abgesehen von seiner schlappen, auf einer Seite herunterhängenden Irokesenbürste war er richtig hübsch. Bloß vier Blechteile im Ohr. Nase, Mund und Augenbrauen seines jungen Gesichts hatte er noch nicht entstellt. Dafür sammelte er jetzt vielleicht gerade. Ich zog mein Portemonnaie aus der Hosentasche, wandte mich leicht von ihm ab und überschlug, wie viel Geld ich noch besaß – etwa achtzig Mark.
    »Würdest du für zwanzig Mark mit mir schlafen?«
    Er stutzte kurz, stimmte dann aber sofort zu.
    »Ja, klar. Bei dir?«
    Er rief seinen Punkerfreunden zu, dass er gleich zurückkäme, und ging mit mir mit. Unter den Punkern gab es einige Unruhe.
    »Ey, was ist denn, Alter? Ey, was ist denn?«, rief ein junges Mädchen mir blauen Haaren und diversen Nasen- und

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