Taylor Jackson 01 - Poesie des Todes
gesehen? Geht es ihr gut?”
Der letzte Satz war eine echte Frage, und Grimes konnte die Sorge in der Stimme des Jungen mitschwingen hören.
“Um welche Uhrzeit haben Sie gestern Pause gemacht?”
“Ich weiß nicht, gegen halb zehn? Noelle war krank, sie sah fürchterlich aus? Wir haben ihr gesagt, dass sie nach Hause gehen soll, aber sie meinte, sie würde an der Besprechung noch bis zum Ende teilnehmen? Wir haben eine Pause gemacht, sie hat einen Anruf bekommen und ist rausgegangen? Das ist das Letzte, was ich von ihr gesehen habe?”
“Und das war gegen halb zehn, sagten Sie. Sie erhielt einen Anruf und machte dann was?”
“Nun, Noelle war sehr höflich? Sie wollte den Anruf nicht in der Bibliothek entgegennehmen, schon gar nicht in unserer Lerngruppe, und so ist sie rausgegangen? Sie hat dem Anrufer gesagt, er solle einen Augenblick dranbleiben, und dann ging sie durch die Seitentür nach draußen? Sie hatte ihren Rucksack bei sich, und als sie nicht wiederkam, nahmen wir an, sie wäre nach Hause und ins Bett gegangen? Es wäre das Beste für sie gewesen, sie sah wirklich schlimm aus?”
Grimes dankte ihm und legte auf. Sie ist durch die Seitentür nach draußen gegangen. Verdammt. Er wandte sich an die Mitbewohnerin.
“Haben Sie ein aktuelles Foto von Noelle?”
Sie beendete ihr eigenes Telefonat und nickte. “Ja, in unserem Zimmer. Ich hol es schnell. Sie glauben, sie ist fort, oder?”
“Ich weiß es nicht, aber ich brauche das Bild wirklich dringend. Danke.”
Das Mädchen lief die Treppe hinauf, und Grimes wählte Baldwins Nummer. Er antwortet nach dem ersten Klingeln. Grimes schilderte ihm die Situation, inklusive der Tatsache, dass das vermisste Mädchen zum Röntgen ins Asheville Community Hospital gegangen war, da der Röntgenapparat hier vor Ort nicht funktionierte. Als er das Telefonat beendet hatte, kam die Mitbewohnerin mit dem Foto.
Grimes schaute in sanfte braune Augen. Er dankte dem Mädchen, schrieb sich ihre Handynummer auf und versprach, ihr innerhalb der nächsten Stunde mitzuteilen, was es Neues gab. Er stieg in sein Auto und wollte vom Campus fahren, aber dann sah er die Bibliothek zu seiner Rechten und wurde langsamer. Das Gedicht. Baldwin sagte, die Reporterin in Nashville hätte ein weiteres Gedicht bekommen, was darauf hinwies, dass ein weiteres Mädchen entführt worden war. Er entschied sich dafür, die Bibliothek zu überprüfen. Wenn er dort ein Gedicht hinterlassen hätte, wäre das ein weiterer Beweis dafür, dass es sich um ihren Mann handelte. Verdammt, er wurde nachlässig. Daran hätte er schon viel früher denken müssen.
Er stellte das Auto ab und ging zu der Tür, von der er annahm, sie wäre der Seiteneingang, den der junge Harish erwähnt hatte. Hier sollte Noelle angeblich während ihres Telefonats herausgekommen sein. Er suchte den Boden ab, die Türen, aber ihm fiel nichts Ungewöhnliches auf. Dann fiel sein Blick auf das neben der Tür hängende Schwarze Brett. Die Ankündigungen und Nachrichten waren mit einer durchsichtigen Plastikfolie vor Wind und Wetter geschützt. Er trat näher und schaute sich die “Gesucht”- und “Zu Verkaufen”-Zettel an. Nachhilfe – nein, danke, die brauchte er nicht. Auch keinen gelben Yogaball mit Matte oder eine … ja, da war es. Unter zwei farbigen Zetteln schaute ein weißes Blatt hervor. Er hob die Folie an und schob mit einem Kugelschreiber aus seiner Brusttasche alle umgebenden Nachrichten hoch. Tatsächlich. Er hatte es wirklich hier hingehängt, damit alle es sehen konnten. Verdammter Hurensohn.
Grimes las das Gedicht laut vor:
“Sieh an den Floh, und du erfährst
,
wie wenig das ist, was du mir verwehrst.
Er saugte erst mich aus und nun dich
,
und unser Blut, im Floh vermischt es sich.”
Mist. Noch eins. Er schaute sich hektisch um, als wenn der Mörder irgendwo in der Nähe säße, sich in den Schatten versteckte, die Show genoss. Aber alles schien normal zu sein.
Die Tatsache, dass er hier zurückgelassen worden war, entging ihm nicht. Baldwin, der Goldjunge des FBI, verfolgte handfeste Spuren, während Grimes, der Knecht, hierbleiben und mit dem Mörder Fangen spielen musste. Wenigstens hatte er das neueste Gedicht gefunden.
Ein Mädchen mit einer Strickmütze kam an ihm vorbei und lächelte über den Mann, der da vor sich hin fluchte. Er schlug sich die Hände vors Gesicht, damit sie ihn nicht zu genau anschauen konnte. Dann zog er einen Beutel aus seiner Tasche, hebelte die Reißzwecke
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