Taylor Jackson 02 - Der Schneewittchenmörder
dass die Trennscheibe nicht kugelsicher war.
Vorsichtig steckte sie ihre Hand in ihre Satinhandtasche. Dankbarkeit durchflutete sie, als sie sich an die Diskussion erinnerte, die sie mit Sam über das Mitnehmen dieses dummen Dings gehabt hatte. Handtaschen waren einfach nicht ihr Fall. Sam hatte ihr jedoch versichert, dass sie etwas brauchte, in dem sie ein paar Kleinigkeiten unterbringen konnte. Taylor hatte nachgegeben, vor allem weil selbst sie wusste, dass es nicht angebracht war, auf dem Gang zum Altar ein Wadenholster mit ihrer Waffe zu tragen. Die kleine .22er mit dem Perlmuttgriff, die sie vor ein paar Jahren auf einer Waffenausstellung gekauft hatte, passte perfekt in die Tasche. Mit einem kurzen Dank an die Macht, die sie dazu gebracht hatte, selbst an ihrem Hochzeitstag eine Waffe mitzunehmen, legte sie die Finger um den Griff. Dann zog sie die Hand vorsichtig heraus, um keine Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass sie jetzt bewaffnet war. Es wäre aber egal gewesen, denn in diesem Moment fuhr die Trennscheibe herunter.
Der Fahrer drehte sich um und lächelte, und Taylor erlebte einen kurzen Moment, in dem sie dachte: Oh, ich habe mich geirrt, das ist doch alles nur ein Spaß.
Aus dem Augenwinkel nahm sie etwas Schwarzes wahr und warf einen Blick auf die Hand des Fahrers. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und unwillkürlich hielt sie den Atem an. Ihr Gehirn registrierte die Situation. Es brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber als das Lächeln breiter wurde, wusste sie, dass sie jetzt ihre Waffe ziehen musste.
Die Bewegung war weich, elegant, blitzschnell. In einer so beengten Umgebung gab es keinen Grund, ausgiebig zu zielen. Sie musste nur den Hahn spannen und abdrücken. Ein kräftiger Druck, ein röhrender Knall. Aber ihr Körper zuckte. Schmerz schoss durch sie hindurch. Sie ließ die Waffe fallen, die Tasche, ihre Augen verdrehten sich in den Höhlen. Ihr letzter Gedanke durchfuhr sie wie ein elektrischer Schlag: Baldwin wird mich umbringen. Dann wurde es dunkel.
Der Fahrer betrachtete sein Werk mit einem Lächeln. Alles lief genau nach Plan. Jetzt musste er sie nur noch verschwinden lassen. Er wandte sich nach vorne, drehte mit seiner behandschuhten Hand den Schlüssel in der Zündung und fädelte sich wieder in den Verkehr ein. Nach kurzer Zeit bog er auf die große Straßenüberführung ab, die zum Briley Parkway führte. Ein paar Meilen weiter gab es einen Flughafen und ein Flugzeug. Das musste er erreichen, und dann wäre er frei. Alle Missionen erfolgreich ausgeführt. Sein Boss würde sehr zufrieden sein.
27. KAPITEL
Nashville, Tennessee
Samstag, 20. Dezember
15:40 Uhr
Unruhig lief Baldwin vor dem Prachtbau der St.-George’s-Kirche auf und ab. Er sah alles und nichts, war sich der Kälte vage bewusst. Statt eines Mantels trug er nur den förmlichen Cut – traditionell in Dunkelgrau gehalten, die Hose mit einem ganz leichten Streifen, taubengrau karierte Weste, dazu eine schiefergraue Krawatte mit einem Perlenstecker, die seinem Ururgroßvater gehört hatte. Taylor mochte ihn auslachen, weil er so ein Dandy war, aber er hatte vor, das hier nur einmal zu erleben, und deshalb wollte er es richtig machen. Außerdem erinnerten ihn die verschiedenen Grautöne an ihre Augen.
Aber wo war die Braut?
Er schaute noch einmal auf seine Uhr. Sie war schon vierzig Minuten zu spät. Innerlich starb er, schrumpfte von Sekunde zu Sekunde. Jeder Herzschlag schmerzte ein bisschen mehr als der vorherige. In allen Vorstellungen, die er sich von diesem Tag gemacht hatte, war die Möglichkeit, dass Taylor nicht erscheinen würde, nicht vorgekommen.
Die St. George’s Episcopal Church lag in Belle Meade, keine fünfzehn Minuten vom Hermitage Hotel in der Innenstadt von Nashville entfernt. Zehn Minuten, wenn alle Ampeln auf Grün standen und kein Verkehr herrschte. Es gab keinen Grund dafür, dass die Limousine so lange brauchte. Wenn sie liegen geblieben war oder sie einen Unfall gehabt hatten, hätte der Autoverleih oder einer der aufnehmenden Polizeibeamten ihn doch informiert. Beinahe die gesamte Hochzeitsgesellschaft bestand aus Mitgliedern der verschiedenen Strafverfolgungsbehörden. Entweder Kollegen von der Metro oder aus der Rechtsmedizin. Nashville war klein genug, dass nur wenige Mitglieder des Metro Police Department nicht darüber informiert sein dürften, dass der Lieutenant heute unter die Haube kam.
Es hatte keinen Zweck, sie auf ihrem Handy anrufen zu wollen, denn Sam
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