Taylor Jackson 03 - Judasmord
verändert, abgesehen davon, dass Michelle Harris jetzt in einem mit blumigem Chintz bezogenen Sesselsaß und einen blonden Engel in den Armen hielt. Das kleine Mädchen hatte porzellanblaue Augen, einen Mund wie eine Rosenknospe und elfenbeinfarbene Haut mit roten Apfelbäckchen. Das musste Hayden sein. Das Kind schaute sie an, und Taylor entdeckte eine unergründliche Dunkelheit in der kornblumenblauen Tiefe ihrer Augen. Hayden sah Taylors Pistole, starrte sie einen Augenblick lang an und fing dann an zu weinen, wobei sie ihr Gesicht an der Brust ihrer Tante verbarg.
Taylor und Michelle Harris saßen am Küchentisch in Mrs Manchinis Haus. Das Licht der spätnachmittäglichen Sonne fiel durch die nach Süden gerichteten Fenster. Michelle hielt sich tapfer, wenn man bedachte, dass Taylor sie erneut über den traumatisch verlaufenden Morgen befragte.
Der Vater des Opfers war mit dem jüngeren Bruder zurückgekehrt, der die Nachricht vom Mord an seiner Schwester nicht sonderlich gut aufgenommen hatte. Fitz war mit Derek Harris draußen auf der rückwärtigen Veranda und sprach mit onkelhaft geneigtem Kopf zu dem jungen Mann. Über Michelles Schulter hinweg konnte Taylor die beiden durch das Fenster sehen, vor dem kurze, rüschenbesetzte Gardinen hingen. Taylor konnte sich nicht vorstellen, tagein, tagaus auf dieses bunte Durcheinander aus Mustern und Farben zu schauen.
Zumindest hatte sie den unbekannten Duft aus Corinnes Haus identifiziert. Es war das Parfüm von Corinnes Schwester, ein schwerer Duft aus Iris und Jasmin. Er roch erstickend süß und war viel zu stark aufgetragen, als wenn Michelle Duschgel, Bodylotion und Parfüm aus einer Serie benutzt hätte.
Mit zuckender Nase führte sie das Interview fort. „Okay. Erzählen Sie es mir noch einmal von vorne. Fangen Sie dort an, wo sie das letzte Mal mit Ihrer Schwester gesprochen haben.“
Michelle war blass, sie sah ausgelaugt und erschöpft aus. Immer wieder schaute sie über ihre Schulter zu ihrem kleinen Bruder, als wenn sie ihm den Rücken stärken, ihn trösten wollte.
„Michelle?“, hakte Taylor nach.
„Tut mir leid, Lieutenant. Sie wissen, wie es unter Geschwistern ist.
Manchmal möchte man sie davor beschützen, verletzt zu werden.“
„Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, ich bin ein Einzelkind. Also bitte, erzählen Sie noch einmal. Sie und Corinne hatten eine Verabredung zum Tennisspielen?“ Sie lehnte sich auf dem Holzstuhl zurück,verschränkte die Arme vor der Brust und wartete geduldig ab.
Michelle spielte mit ihrem Pferdeschwanz. Sie schlang ihn auf eine Art um ihren Hals, die auf Taylor zwanghaft wirkte. „Das stimmt. Wir spielen im Richland. Die letzten paar Wochen haben wir die Meisterschaft mitgespielt. Wir sind schon seit Jahren Doppelpartner. Ich habe mal darüber nachgedacht, im Einzel zu spielen, aber Corinne wollte davon nichts wissen. Wir sind, waren, ein fantastisches Team. Irgendetwas passiert auf dem Spielfeld mit uns, wir können die Bewegungen der anderen spüren, schätze ich.“
„Und Ihre Schwester hat trotz ihrer Schwangerschaft gespielt?“
„Das ist richtig. Bei Hayden hat sie bis zur Woche vor der Geburt gespielt und nur aufgehört, weil Todd sie darum gebeten hat. Dieses Mal hatte sie eine so leichte Schwangerschaft, dass sie sagte, sie würde direkt von einem Match aus in den Kreißsaal gehen. Und ich wette, das hätte sie auch getan. Corinne konnte ihren Körper immer an ihre Anforderungen anpassen. Ein verstauchter Knöchel heilte genau rechtzeitig zum nächsten Event, und sie musste nie irgendwo aussetzen. Sie ist eine echte Wonderwoman.“
„Wann war der Stichtag?“
„In acht Wochen“, antwortete Michelle mit belegter Stimme. „Wow. Sie wirkte nicht besonders rund für jemanden im siebten Monat.“
„Das war bei Hayden auch schon so. Sie hat nur acht Pfund zugenommen, und Hayden hat sechseinhalb gewogen. Ihr Körper hat sofort zu seiner alten Form zurückgefunden. Dieses Mal schien es ihr genauso zu gehen. Das arme Baby. Was werden sie mit ihm tun?“
Tränen stiegen ihr in die Augen. Taylor schaute weg, während Michelle versuchte, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie wollte im Moment auch nicht gerade über Totenscheine für Föten nachdenken.
„Lassen Sie uns später darüber sprechen. Bleiben Sie noch einen Moment bei mir. Sie sind also hergekommen, um sie abzuholen …“
„Mir ist gleich aufgefallen, dass sie das Außenlicht nicht ausgeschaltet hatte. Das war ungewöhnlich. Corinne
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