Taylor Jackson 03 - Judasmord
Ausgabeschacht. Normalerweise hallte das Geräusch durch die Flure, doch heute war es kaum zu hören. Als sie das Büro der Mordkommission betrat, saß Lincoln Ross auf der Kante seines Schreibtischs und hielt Hof. Es wirkte, als hätte sich das halbe Headquarter hier versammelt.
Einige Leute grüßten Taylor mit einem höflichen „Lieutenant“ oder „Guten Morgen, LT“. Sie nickte grüßend zurück und fing dann Lincolns Blick auf.
Seine Miene erhellte sich, als er Taylor erblickte. Er sprang vom Tisch und begrüßte sie mit einer Umarmung. Sie drückte ihn an sich, froh, dass er offensichtlich unbeschadet wieder da war. Dann löste sie sich aus der Umarmung, trat einen Schritt zurück und musterte ihn. Er schien mehr als unbeschadet. Lincolns Lächeln zog sich von Ohr zu Ohr und entblößte dabei eine hinreißende Zahnlücke. Sein neuer Look ließ ihn ein wenig wie einen Piraten aussehen – Glatze, lockiger Bart, Augen, in denen Charme und Intelligenz aufblitzten. Fehlte nur noch ein glänzender Degen.
„Mädchen, du siehst großartig aus. Was hast du gemacht, während ich weg war? Hatten du und der Fed eine schöne Reise?“
„Es ist verdammt schön, dich zu sehen, Linc. Aber das Wichtige zuerst: Was ist passiert?“
Er grinste und wackelte mit den Augenbrauen. „Ich habe Terrence Norton für dich – schön eingepackt mit einer netten Schleife.“
Sie stießen mit den Fäusten aneinander, ihre Version des Abklatschens. „Wirklich? Das sind tolle Neuigkeiten, Lincoln. Aber warum ist die Straße gerammelt voll mit Übertragungswagen?“
„Ich habe auch seinen Boss.“ Er sagte es mit einer solchen Lässigkeit, dass Taylor instinktiv wusste, dass es sich um jemanden handeln musste, mit dem keiner gerechnet hatte.
„Okay, jetzt hast du mich. Wer war der Kopf der Sache?“
„Unser lieber Sidney Edgar.“
Sie zuckte überrascht zurück. „King Kong?“
„Genau der.“
„Sidney Edgar, Wide Receiver der Tennessee Titans. Du verarschst mich.“
Sidney „King Kong“ Edgar war ein Footballspieler erster Güte, der Geldmacher der Titans, ein junger Mann aus Atlanta, der mehr Muskeln als Verstand hatte. Er war einen Meter fünfundneunzig, bestand nur aus geschmeidigen, harten Muskeln und war zerstörerisch gefährlich, wenn seine Hände in die Nähe der Lederpille kamen. Außerdem war er ein Gangster, wie er im Buche steht. Seitdem er Mitglied des Teams geworden war, hatte Kong über tausend Yards gemacht und war nicht weniger als achtmal verhaftet worden, wobei er jedes Mal nur knapp an einer Anzeige wegen eines Schwerverbrechens vorbeigeschrammt war. Sein Umgang war mehr als bedenkenswert. Eine Gruppe Rabauken, die zwischen Nashville und Atlanta hin- und herreisten, gesetzlose Männer, die regelmäßig wegen Verstößen gegen das Waffen- oder Betäubungsmittelgesetz hochgenommen wurden.
Doch soweit Taylor wusste, waren sie nie mit Terrence Nortons Gang in Verbindung gebracht worden. Sie sprach den Gedanken laut aus, und Lincoln nickte.
„Bis gestern Abend haben wir das auch nicht gewusst. Ich muss sagen, ich kann wirklich schauspielern. Nach Sonntagnacht …“ Er schenkte ihr einen bedeutungsvollen Blick, den sie sofort verstand. Er hatte Crack mit ihnen geraucht, also hatten sie ihn akzeptiert.
„Wie auch immer, mein Informant sagte mir, dass der große Boss kommen würde. Er ließ netterweise sein Telefon an, sodass ich zuhören konnte, als der Deal gemacht wurde. Ich habe die Kavallerie gerufen. Es war zu schön – wir haben Kong und Terrence Norton mit Händen voller Crack-Tütchen erwischt.“
Lincoln schien immer noch im Adrenalinrausch zu sein. Taylor dachte, dass er es vermutlich leichter klingen ließ, als es gewesen war. So eine Situation konnte ganz schön brenzlig werden und jeden Moment eine gefährliche Richtung einschlagen.
Wie fast alle Männer, denen die Gewalt der Straße eingetrichtert worden war, noch bevor ihre Mütter sie abgestillt hatten, war auch Edward immer ein wenig zu nah am Abgrund gewandert. Das war sehr traurig. So viele der Jungs zogen sich am eigenen Hosenboden aus dem Dreck, wurden ehrlich und gaben ihrem Leben eine positive Wendung. Aber manche waren einfach zu schwach, ließen sich zu leicht von der Illusion der Macht verführen.
Lincoln kam zum Schluss seiner Erzählung. „Wir haben sie verhaftet und ins Revier überstellt. King Kong und Terrence plus fünfzehn andere werden heute Vormittag offiziell angeklagt. Deshalb sind die ganzen
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