Taylor Jackson 03 - Judasmord
die das Opfer gab.
Der Morgen war ihr gründlich verdorben worden. Taylor rieb sich den Schlaf aus den Augen und ging nach unten in die Küche. Sie hatte Hunger, also schüttete sie sich etwas Müsli in eine Schale. Eine kurze Überprüfung der Milch – ja, noch gut genug. Der biologisch-dynamische Kram, zu dem Baldwin sie überredet hatte, hielt mindestens eine Woche länger. Sie gab einen Teebeutel und etwas Honig in eine Tasse, goss einen Schuss Milch dazu und füllte es mit kochend heißem Wasser aus dem Wasserhahn auf. An die Spüle gelehnt schaute sie in den Garten hinaus, aß langsam ihr Müsli, beobachtete den Wald und dachte nach.
Ein riesiges Kaninchen saß im Garten und knabberte am Klee. Weiter hinten sah Taylor ein weiteres Wache schieben und seinen Kumpel beobachten, während der sich sein Frühstück gönnte. Der Gedanke, dass sie bald jeden Morgen mit Babykaninchen teilen würde, ließ sie lächeln. Sie schaute zu, wie das Häschen beim Grasen langsam Zentimeter für Zentimeter vorwärts hoppelte. Dann blieb es auf einmal stehen, die Ohren richteten sich auf, das Näschen zuckte.
Mit einer Plötzlichkeit, die Taylors Herz zum Rasen brachte, floh das Kaninchen. Es war offensichtlich von irgendetwas aufgeschreckt worden. Vermutlich von einem Hund. Taylor konnte leise das Bellen in der Ferne hören. Sie schaute sich die Stelle, an der das Kanincheneben noch gesessen hatte, genauer an. Was war das?
Sie stellte ihre Schüssel in die Spüle und trat an die rückwärtige Tür. Vorsichtig ging sie auf die Terrasse. Der Alarm ging an. Mist. Sie hatte vergessen, ihn auszuschalten. Sie rannte zurück ins Haus und gab den Code ein. Ein letztes Quaken, dann wurden die Lichter grün. Alarmanlage deaktiviert.
Sie kehrte in den Garten zurück. Ihre Füße wurden kalt, als sie sich ihren Weg durch das noch feuchte Gras bahnte. Ein dunkler Haufen lag gute zehn Meter zu ihrer Rechten, direkt in einer Linie mit dem Küchenfenster.
Im Näherkommen nahm sie den Geruch nach Fäulnis wahr und hörte das Summen der Fliegen. Ein haariger Klumpen, rot und glitschig. Sie erkannte den puscheligen Schwanz eines Häschens, die Haut abgezogen und das Innere nach außen gekehrt. Armes Wesen. Ein dünner Draht hatte sich tief in den Hals des Tieres gegraben; die Enden waren umeinandergewickelt wie der Plastikverschluss an einer Tüte Brot.
Sie fühlte sich seltsam ungeschützt. Ihr T-Shirt war zu dünn. Sie rieb sich die Arme, um ein bisschen warm zu werden. Sie war kein Dummkopf und wusste, dass das hier eine Nachricht war. Von wem war nicht die Frage, sie nahm an, von ihrem nächtlichen Stalker. Aber warum sie zum Ziel geworden war, das würde sie nur zu gerne wissen. War das vielleicht das Werk des Pretenders? Er schien ihr zwar nicht der Typ für solch eine unappetitliche Nachricht zu sein, aber vielleicht hatte sie auch einfach nur einen falschen Eindruck von ihm.
Sie wollte den Kadaver nicht anfassen. Sie musste ihn jedoch irgendwie sichern und vor den vielen Feinden schützen, die sich sicherlich bald an ihm gütlich tun würden. Sie musste die Nachricht unversehrt konservieren, damit ein Kriminaltechniker sie als Beweis einsammeln konnte. Also ging sie auf der Suche nach einem Behältnis um das Haus herum. Der Deckel der Mülltonne war zu flach. Doch da stand ein Blumentopf, in dem eine verdorrte Hyazinthe steckte. Sie schüttete Blume und Erde auf den Boden und ging zurück zu dem toten Hasen. Vorsichtig stellte sie den Topf über den leblosen Körper. Das sollte für eine Stunde oder so reichen.
Taylor hatte das Gefühl, aus allen Richtungen beobachtet zu werden. Sie ließ den selbst gemachten Schrein im Garten zurück und ging wieder ins Haus. Ihr morgendlicher Frieden war endgültigzerstört. Sie ließ ihre Teetasse auf dem Tresen stehen, zog sich schnell an und fuhr ins Büro.
Übertragungswagen der Fernsehstationen säumten die Straßen vor dem CJC. Ihre Satellitenschüsseln zeigten gen Himmel. Taylor entschied sich, auf dem angrenzenden Parkplatz zu parken, um sich den Spießrutenlauf zu ersparen. Sie ging über die Betonrampe, die zur Straße hinunterführte. Die Absätze ihrer Stiefel dröhnten bei jedem Schritt; ein Geräusch, dessen Gleichklang ihre Nerven beruhigte.
Sie schaffte es, unbemerkt durch die hintere Tür zu schlüpfen. Die Atmosphäre im Gebäude war wie elektrisiert, laut und wachsam. Sie steckte einen Dollar in den Getränkeautomaten, und mit lautem Klappern fiel die Dose Cola light in den
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