Taylor Jackson 05 - Symbole des Bösen
die geheimnisvolle schwarze Wolke zauberte, die ihre grünen Augen wie fünfzehnkarätige Smaragde glitzern ließ. Die langen Striche flüssigen Eyeliners, der tiefschwarze Lidschatten von M-A-C, noch mehr Eyeliner, fünf Schichten Mascara, dann die kunstvollen Wirbel, die an ihren äußeren Augenwinkeln hingen, als wäre sie eine Beduinenprinzessin, die sich auf ihre Hochzeitsnacht vorbereitete. Eine dunkle Prinzessin. Die Herrscherin seines Herzens.
Sie war mit den Augen fertig, schraubte den Eyeliner zu und umrahmtedann ihre Lippen mit einem burgunderfarbenen Lipliner. Sie wühlte in ihrer Make-up-Schublade und zog einen tief, tief kirschschwarzen Lippenstift heraus. Er wusste die Symbolik zu schätzen. Manchmal hatte Fane Schwierigkeiten, mit anderen zu sprechen, und schwarzer Lippenstift erinnerte sie daran, dass sie diejenige mit der Macht war. Er wusste, dass sie den Lippenstift mit Kraft aufgeladen hatte – sie hatten den Zauber gemeinsam gesprochen.
Sie beugte sich vor und zerzauste ihr Haar, sodass es ihr vom Kopf abstand und in herrlichen Wellen bis zu ihrem Hintern fiel. Eine ordentliche Dosis Haarspray beendete die Verwandlung.
Als sie sich umdrehte und ihn anlächelte, konnte er kaum an sich halten. Seine Liebste. Seine perfekte, perfekte Liebste. „Du bist dran“, sagte sie und schlüpfte in ihr Korsett, das ihre Taille so weit einschnürte, dass er sie beinahe mit zwei Händen umfassen konnte.
Raven versuchte, sich von der makellosen Gestalt dieser Frau zu lösen und trug nun ebenfalls sein Make-up auf, ließ sich hinter der Grundierung verschwinden. Nie fühlte er sich stärker als in vollem Goth-Aufzug. In der Schule musste er es ein wenig herunterfahren – es gab strenge Regeln, was Jungen mit Make-up anging. Kapitalistische Hurensöhne. Sie hatten ja keine Ahnung, wie stark er war.
Aber heute Nacht würden sie zum Feiern in einen Club gehen. Sie würden sich an der Energie der Menge laben, würden einfach sie selber sein. Es gab nichts Besseres, als nachts durch die Clubs zu ziehen. Das Subversion nahm heute zu Ehren von Samhain nur fünf Dollar Eintritt und hatte The Baron eingeladen, einen Gast-DJ aus Los Angeles. Raven hatte nur Gutes über seine Playlist gehört – er schien immer die neuesten Bands zu haben. Das lag vermutlich an der Nähe zu Hollywood. Die Gothic-Szene von Nashville rockte zwar, aber trotzdem blieb es Nashville. Industrielles Brachland. Er war in ein paar Clubs in Washington, D. C., gewesen, die nicht von dieser Welt waren. Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen – die traditionelle Gothic-Szene war alles, was Nashville heute Abend zu bieten hatte. Eines baldigen Tages würden er und Fane nach Los Angeles fahren, auf der Goth-Welle reiten, den Gipfel erklimmen und ihre Macht alles überstrahlen lassen. Ihre Kunst würde von Millionen betrachtet und sie würden sich nie wieder trennen müssen. Dieser Tag rückte näher. Er hatte bereits die Tickets gekauft – Montag wären sie weg. Bis dahin hatten sie nur nochein paar Dinge zu erledigen.
In der Zwischenzeit mussten sie sich mit dem begnügen, was ihnen zur Verfügung stand. Zuerst das Subversion, dann zum Abschluss der Nacht ins Salvation, wo sie sich mit Thorn und Ember treffen würden. Ember würde sich heute Nacht rausschleichen müssen, vor allem nachdem …
„Raven, Liebster, du musst dich beeilen. Ich will endlich los.“
Fane hatte die Hände in die Hüften gestemmt und stampfte trotzig mit dem Fuß auf. Ihre schweren Stiefel mit der Plateausohle hatten Schnallen bis zum Knie und machten sie eins neunzig groß. Sie sah spektakulär ätherisch aus. Er lächelte sie über den Spiegel an und leckte sich verführerisch mit der Zunge über seine spitzen Fangzähne. Sie hatten ihn eine ganze Stange Geld gekostet, aber das war es so was von wert gewesen. Fane liebte ihre genauso – sie machten es so viel leichter, einander zu beißen. Er zog echte Zähne seinem Athame jederzeit vor. Es war so viel realistischer.
Ein letzter schwarzer Strich unter den Augen, dann schaltete er das Licht am Schminkspiegel ab. Er nahm Fane bei der Hand und tanzte im Kreis durch die Mitte seines Zimmers.
„Komm, lass uns gehen.“
Eine Straße weiter kreisten blaue Lichter, doch auf ihrer war es ruhig. Raven wurde von einer ungekannten Aufregung erfasst und drückte Fanes Hand. Der Aufruhr fand seinetwegen statt. Seinetwegen .
Sie quetschten sich in seinen alten Elantra, auch liebevoll die Ratte genannt, und ließen den
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