Tea-Bag
hörte. In ihrer Begleitung befand sich Leyla.
Sie setzten sich ins Wohnzimmer, da Tanja die Gefahr, daß Nachbarn sie hören und mißtrauisch werden könnten, dort am geringsten einschätzte. Aber sie sprachen mit gedämpften Stimmen, vorgebeugt, als befänden sie sich mitten in einer konspirativen Versammlung. Jesper Humlin dachte, er sollte damit beginnen, etwas zu dem zu sagen, was beim ersten Treffen geschehen war.
- Natürlich hätte ich diesem Mädchen nicht die Wange streicheln sollen. Aber es war ganz unschuldig. Ich mag es, Leute anzufassen.
Leyla betrachtete ihn aufmerksam.
- Mich faßt du nicht an.
- Es geschieht spontan.
- Ich glaube, du lügst. Ich glaube, du findest mich zu dick.
- Ich finde nicht, daß du dick bist.
Tanja bewegte sich unruhig auf ihrem Stuhl.
Leyla betrachtete ihn feindselig.
- Ich weiß nicht recht, wie wir anfangen sollen, sagte er zögernd.
- Willst du uns nicht danach fragen, was wir geschrieben haben? sagte Leyla.
Jesper Humlin merkte, daß sie anfing, ihm auf die Nerven zu gehen. Sie hatte wirklich erhebliches Übergewicht.
- Natürlich werden wir darüber sprechen, sagte er. Aber erst will ich wissen, warum ihr geschrieben habt, daß ihr davon träumt, Moderatorinnen im Fernsehen zu werden.
- Ich nicht.
- Du nicht, Tanja. Warum möchtest du nicht Moderatorin im Fernsehen werden?
- Selbstverständlich will ich Moderatorin im Fernsehen werden. Ich möchte Sendungen moderieren, in denen man Männer bloßstellt.
- Wie meinst du das?
- Ich will eine Sendung moderieren, in der Frauen sich rächen können.
- Ich kann mich nicht erinnern, daß ich jemals von einem solchen Programm gehört hätte.
- Dann wird es doch Zeit, daß es eins gibt?
Jesper Humlin sagte nichts. Statt dessen sah er Leyla an.
- Ich möchte eine Sendung moderieren, die nett ist.
- Kannst du das ein bißchen genauer erklären? Nett?
- Die Leute sollen still sein dürfen. Einfach dasitzen. Nett. Es ist immerzu so ein Krach.
Jesper Humlin versuchte sich eine Sendung vorzustellen, in der die Menschen still waren und es nett hatten. Es gelang ihm nicht. Statt dessen bat er sie um die Geschichten, die sie geschrieben hatten.
Er las vor, was Leyla geschrieben hatte. Es war mit kindlich geformten Buchstaben geschrieben und ganz kurz.
Ich möchte von etwas erzählen, das ich kenne. Wie es ist, dick zu sein, jede Nacht zu träumen, man ist dünn, und jeden Morgen enttäuscht zu sein. Aber eigentlich will ich etwas schreiben, das macht, daß ich berühmt werde und in Hotels wohne, wo man das Frühstück aufs Zimmer gebracht bekommt. Aber ich weiß wohl eigentlich nicht, warum ich das hier mache. Oder überhaupt irgendwas. Warum ich lebe. Es ist ein Gefühl, als sei Schweden ein Strick, an dem ich hänge. Wie sehr ich mich auch bemühe, erreiche ich mit meinen Füßen nie den Boden. Ich möchte Antworten auf alle Fragen. Und dann will ich an meine Oma schreiben können und ihr erzählen, was Schnee ist. Wann kann ich im Fernsehen anfangen? Wenn du mich auf dieselbe Weise berührst wie das Mädchen, dem du die Wange gestreichelt hast, wird Haiman oder jemand anders dir
den Kopf abreißen, und den kann ich dann zu Hause in einen Blumentopf stecken. Reicht das jetzt? Leyla.
- Ein sehr guter Anfang. Bis zum nächsten Treffen möchte ich, daß du es ein bißchen mehr entwickelst.
Von Tanja bekam er ein kleines Päckchen.
- Ich will nicht, daß du es jetzt aufmachst.
- Machst du ihm Geschenke? sagte Leyla erbost.
- Das ist kein Geschenk. Es ist das, was ich geschrieben habe.
Leyla riß das Päckchen an sich.
- Da ist etwas Hartes drin. Das sind keine Papiere. Tanja nahm das Päckchen wieder an sich. Jesper Humlin fürchtete einen Augenblick, sie würden eine Prügelei anfangen. Er erhob seine Arme und versuchte, sie zu beruhigen.
- Ich werde euer Geschriebenes mit nach Hause nehmen und es sorgfältig lesen. Nächstes Mal, wenn ich komme, werden wir darüber sprechen. Ich verspreche, es niemandem zu zeigen. Sie vereinbarten ein Treffen für die darauffolgende Woche. Leyla versprach, mit Pelle Törnblom zu sprechen. Sie würde ihm erklären, daß der Kurs weitergehen sollte wie geplant, bevor der Zug auf der Strecke stehengeblieben war und den ganzen Ärger verursacht hatte. Jesper Humlin versprach, diesmal rechtzeitig zu kommen.
- Es kann gut sein, daß Pelle Törnblom dir nicht glauben wird, sagte er.
- Mir glauben alle, sagte Leyla. Ich sehe so lieb aus.
- Ich muß bald los, sagte Jesper
Weitere Kostenlose Bücher