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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Intrigen um die Forschungsgelder leid gewesen war. Sie riß die

Tür auf und starrte ihn an. Ihr Wartezimmer war bis zum letzten Platz besetzt.
    - Deinem Herzen fehlt nichts, fuhr sie ihn an, während sie ihn in ihr Sprechzimmer schob.
    - Ich wäre dir dankbar, wenn du deine Diagnosen nicht vor den Ohren der Leute im Wartezimmer herausposaunen würdest.
    Sie hörte sein Herz ab und maß seinen Blutdruck.
    - Deine Werte sind hervorragend. Ich begreife nicht, wieso du mir die Zeit stehlen mußt.
    - Stehlen? Ich bin schließlich dein Patient.
    Sie betrachtete ihn mit kritischem Blick.
    - Du setzt allmählich Fett an, weißt du das? Und diese Sonnenbräune sieht wirklich geschmacklos aus, wenn du gestattest.
    - Ich bin überhaupt nicht fett.
    - Seit deinem letzten Besuch hast du mindestens vier Kilo zugenommen. Wann war das? Vor zwei Monaten? Du hattest Angst, auf deiner Südseereise Amöben zu bekommen und dir in die Hose zu scheißen.
    Wie üblich störte sich Jesper Humlin an ihrer Ausdrucksweise.
    - Es ist normal, daß man seinen Arzt um Rat fragt, wenn man eine längere Reise antritt. Ich habe keine vier Kilo zugenommen.
    Anna Beckman vertiefte sich in sein Krankenjournal und deutete dann auf die Waage.
    - Zieh dich aus und stell dich da drauf.
    Jesper Humlin tat, wie ihm geheißen. Er wog 79 Kilo.
    - Bei deinem letzten Besuch hast du 75 gewogen. Wie groß ist also die Differenz? Vier Kilo.
    - Du mußt mir irgendwas verschreiben.
    - Was soll ich dir verschreiben?
    - Irgendwas zum Abnehmen.

- Das mußt du schon selber schaffen.
    - Warum bist du immer so sauer, wenn ich komme? Es gibt andere Ärzte.
    - Ich bin die einzige, die es mit dir aushält.
    Sie zog den Rezeptblock zu sich her.
    - Brauchst du irgendwas?
    - Beruhigungstabletten.
    Sie warf einen Blick ins Krankenjournal.
    - Ich halte ein Auge darauf, daß du nicht zu, viel nimmst.
    - Ich nehme nicht zu viel.
    Sie warf ihm das Rezept hin und stand auf. Jesper Humlin blieb sitzen.
    - Noch etwas?
    - Ich habe eine Frage. Es könnte nicht zufällig sein, daß du dabei bist, ein Buch zu schreiben?
    - Warum sollte ich?
    - Einen Kriminalroman vielleicht?
    - Ich hasse solche Bücher. Warum fragst du?
    - Nur so.
    Jesper Humlin verließ Anna Beckmans Praxis und blieb unschlüssig auf der Straße stehen. Plötzlich fühlte er Tea-Bags Zugfahrkarte zwischen den Fingern. Er zog sie heraus und wollte sie in einen Papierkorb werfen, als er sah, daß etwas darauf geschrieben stand. Eine Adresse in einem der abgelegensten und unbekanntesten Vororte von Stockholm. Nach längerem Zögern machte er sich auf den Weg zur nächsten U-Bahnstation. Er mußte einen Fahrkartenkontrolleur fragen, wo er aussteigen sollte. Der Mann, der am Fahrkartenschalter saß, war Afrikaner, sprach aber ausgezeichnet Schwedisch. Zu seinem Erstaunen entdeckte Jesper Humlin, daß er eine Gedichtsammlung von Gunnar Ekelöf vor sich liegen hatte.
    - Einer unserer besten Schriftsteller.

- Er ist gut, erwiderte der Schaffner, während er die Fahrkarte stempelte. Aber vom alten byzantinischen Reich hat er wohl nicht viel verstanden.
    Sogleich fühlte Jesper Humlin sich im Namen Ekelöfs gekränkt.
    - Was wollen Sie damit sagen?
    - Es würde zu lange dauern, das zu erklären, sagte der Schaffner.
    Dann schob er ihm eine Visitenkarte hin.
    - Sie können mich anrufen, wenn Sie mit mir über seine Gedichte diskutieren möchten. Bevor ich nach Schweden kam, war ich Dozent für Literaturgeschichte an einer Universität. Hier in Schweden stemple ich Fahrkarten ab.
    Der Schaffner musterte ihn aufmerksam.
    - Kenne ich Sie nicht?
    - Das ist nicht ausgeschlossen, antwortete Jesper Humlin und seine Laune besserte sich sogleich. Jesper Humlin. Ich bin Schriftsteller.
    Der Schaffner schüttelte den Kopf.
    - Was schreiben Sie?
    - Poesie.
    - Bedaure.
    Jesper Humlin nahm die Rolltreppe hinunter in die Unterwelt. Als er an der richtigen Haltestelle angekommen war, beschlich ihn ein Gefühl, als hätte er erneut eine unsichtbare Grenze überschritten und befände sich in einem anderen Land, nicht in einem Vorort von Stockholm. Zu seiner Überraschung stellte er fest, daß die Adresse, die Tea-Bag ihm hinterlassen hatte, zu einer Kirche führte. Er ging hinein.
    Die Kirche war leer. Er setzte sich auf einen braunen Holzstuhl und betrachtete das Mosaikfenster hinter dem Altar. Es zeigte einen Mann, der in einem Boot saß und ruderte. Am Horizont leuchtete ein starkes, bläuliches Offenbarungslicht. Jesper Humlin dachte an die

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