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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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eingefallen, wie du meine Aktien von White Vision wieder aufgewertet bekommst?
    - White Vision ist völlig bedeutungslos.
    - Für mich nicht.
    - Ich habe eine fabelhafte Idee. Wir werden dich in eine Aktiengesellschaft verwandeln.
    - Was soll das heißen?
    - Ganz einfach. Wir gründen eine Aktiengesellschaft und nennen sie »Humlin Magic«. Ich besitze 51 Prozent und du 49

Prozent. Darin deponieren wir dann alle deine Autorenvertrage und Urheberrechte.
    Jesper Humlin unterbrach ihn.
    - Wenn man als Autor davon profitieren will, seine Mittel in eine Aktiengesellschaft zu stecken, dann geht das nur unter einer Voraussetzung. Daß man viel Geld verdient. Die einzigen Autoren, die heutzutage eine Aktiengesellschaft haben, sind diejenigen, die Kriminalromane schreiben. Zu denen gehöre ich nicht.
    - Du unterbrichst mich zu früh. Deine Rechte und Verträge sind in diesem Zusammenhang nur eine Lappalie.
    - Vielen Dank.
    - Ich will damit sagen, daß du persönlich der größte Aktivposten in der Gesellschaft bist.
    - Wie stellst du dir das vor?
    - Wir splitten dich in Anteile auf und verkaufen dich. Das ist nicht merkwürdiger, als wenn man eine Anteilswohnung in einem Winterhotel im Fjäll kauft.
    - Ich verbitte es mir, mit einer Ferienanlage verglichen zu werden.
    - Dir mangelt es an Phantasie. Ich dachte, Schriftsteller besäßen Phantasie.
    - Die Phantasie, die mir zur Verfügung steht, benutze ich dazu, um Bücher zu schreiben.
    - Begreifst du nicht, daß es eine glänzende Idee ist? Die Menschen zeichnen Anteile an dir. Für deine kommenden Bücher. Ich rechne damit, daß der erste Prospekt, mit dem wir an die Öffentlichkeit gehen, mindestens fünfzig Millionen bringen wird. Wir stückeln dich in tausend Anteilscheine. Menschen mit viel Geld lieben neue Ideen. Dann lassen wir die Hauptversammlung einmal jährlich entscheiden, was du im nächsten Jahr schreiben sollst. Sollte der schlimmste Fall eintreten und du in eine Konkursmasse verwandelt, liquidieren

wir dich einfach, warten ein, zwei Jahre ab, bis du wieder besser schreibst, und fangen wieder von vorn an.
    - Wenn ich das Wort »liquidieren« höre, denke ich an die Mafia, die sich unbequemer Personen durch einen gezielten Nackenschuß entledigt. Ich nehme an, das ist als schlechter Scherz gemeint?
    - Im Gegenteil. Ich bin schon dabei, einen Prospekt für »Humlin Magic« zu entwerfen.
    - Das kannst du dir sparen. Ich denke nicht daran, meine Seele als Anteile in einer Aktiengesellschaft zu verkaufen.
    - Niemand ist an deiner Seele interessiert. Für mich zählt nur der materielle Wert deiner Person und das, was du in den Druck gibst. Nichts anderes. Denk darüber nach. Ich rufe dich in ein paar Stunden wieder an.
    - Dann bin ich nicht zu erreichen. Wie stehen meine Aktien? - Sie sind günstig und fair bewertet. Gestern bei Börsenschluß standen sie bei 14,50 Kronen.
    Erbost warf Jesper Humlin den Hörer auf die Gabel und drückte ihn fest herunter, als Beschwörung gegen einen erneuten Anruf von Anders Buren. Es blieb still.
    Das Licht sickerte grau durchs Fenster. Die Geräusche drangen gedämpft von der Straße herauf. Jesper Humlin stand reglos im Zimmer und hielt den Atem an. Er fühlte sich wie vor einem Schwindelanfall. Das sind die äußeren Umstände, dachte er. Ein Börsenmakler, der mich in eine Aktiengesellschaft verwandeln will, und ein Mädchen, das sich Tea-Bag nennt, auf meinem Sofa liegt und von einer Angst spricht, die von tief drinnen kommt. Was hat meine Angst ausgelöst? Die Erkenntnis, daß meine Aktien ins Bodenlose stürzen und daß Andrea Ansprüche an mich stellt, denen ich mich nicht gewachsen fühle. Ich habe eine Mutter, der ich zutraue, daß sie ein Buch schreiben wird, das sich als Meisterwerk entpuppt. Ich fürchte, daß mein Verleger mich rauswirft und daß von meinem nächsten Buch weniger als

tausend Exemplare verkauft werden. Ich fürchte mich vor der vernichtenden Kritik, ich fürchte, meine Sonnenbräune zu verlieren. Kurzum, ich fürchte mich vor allem, was mich als Person bar jeder Leidenschaft und jeden Charakters bloßstellen könnte.
    Jesper Humlin schüttelte die unangenehmen Gedanken ab, holte sich eine Tasse Kaffee aus der Küche und ließ sich im Arbeitszimmer nieder. Auf dem Tisch vor sich hatte er Leylas Text und Tanjas Päckchen. Im Zug von Göteborg hatte er vorgehabt, noch einmal zu lesen, was Leyla geschrieben hatte, und das Päckchen zu öffnen. Aber er war zu müde gewesen.
    Er las Leylas Text noch

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