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Tea-Bag

Tea-Bag

Titel: Tea-Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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vorgekommen, daß ein Journalist, der ihn interviewte, einen solchen Widerwillen gegen seine Aufgabe gezeigt hatte.
    - Wo soll ich stehen?
    - Sie stehen da gut, wo Sie stehen.
    Die Kamera lief, das Mikrofon hing über seinem Kopf.
    - Wir befinden uns in Stensgården. Einem der Vororte von Göteborg, die zu Unrecht in dem Ruf stehen, daß der hohe Anteil von Bewohnern mit Einwandererhintergrund dort ein beinahe slumartiges Wohnmilieu verursacht hat. Wir stehen hier in Pelle Törnbloms Boxklub, wo der Schriftsteller Jesper Hultin einen Schreibkurs für Einwanderermädchen leitet. Warum tun Sie das eigentlich?
    - Ich finde, es ist wichtig.
    Azar wandte sich an das Mädchen hinter der Kamera.
    - Wir unterbrechen hier. Erstaunt sah Jesper Humlin sie an.
    - War das alles?
    - Es reicht als Vorspann für das Gespräch mit den Mädchen. - Ich heiße Humlin. Nicht Hultin.
    - Das schneide ich sowieso heraus. Azar gab ihm ihre Visitenkarte.

- Rufen Sie mich ein paar Tage vor Ihrem nächsten Treffen an. Sorgen Sie dafür, daß die Mädchen dann dabei sind.
    - Sie werden bald hiersein.
    - Wir haben keine Zeit zu warten.
    Das Fernsehteam verschwand. Jesper Humlin fühlte sich gekränkt. Aber ihm blieb keine Zeit, um mit seiner Empörung fertig zu werden. Haiman trat durch die Tür. Jesper Humlins Gefühl, verletzt worden zu sein, schlug in Angst um. Haiman kam direkt auf ihn zu. In der einen Hand hielt er eine Plastiktüte.
    - Es war nicht meine Absicht, dir weh zu tun. Ich bitte um Verzeihung.
    - Keine Ursache.
    - Wenn ich richtig böse gewesen wäre, hätte ich dich totschlagen können.
    - Daran zweifle ich nicht.
    Haiman nahm einen speckigen und abgewetzten Rugbyball aus der Tüte und reichte ihn Jesper Humlin.
    - Ich hoffe, wir können Freunde sein.
    - Schon vergessen.
    Haiman runzelte die Stirn.
    - Es ist überhaupt nicht vergessen. Ich vergesse nie, was ich tue.
    - Ich meine, wir erinnern uns an das, was geschehen ist. Aber wir denken nicht mehr daran.
    Haiman sah ihn lange an. Die Falte auf seiner Stirn vertiefte sich.
    - Ich verstehe nicht, was du meinst.
    - Ich meine genau dasselbe wie du. Daß keiner von uns vergißt, was geschehen ist. Aber jetzt schenkst du mir einen Rugbyball, und wir sind Freunde.
    Haiman lächelte.
    - Das ist genau das, was ich meine. Magst du Rubgy?
    - Mein Lieblingssport.

Pelle Törnblom zeigte sich in der Tür und sagte, es sei Zeit zum Anfangen. Als Jesper Humlin in den Saal trat, sah er, daß Leylas große Sippe auch diesmal geschlossen angerückt war. Leyla, Tanja und Tea-Bag warteten. Er drängte sich durchs Gewühl nach vorn und setzte sich auf den reservierten Stuhl. Das Gemurmel im Raum verebbte. Jesper Humlin wartete, bis es ganz still war.
    - Ich glaube, wir können jetzt ernstlich mit diesem Kurs anfangen. Für heute abend möchte ich vorschlagen, daß ihr in zwanzig Minuten das Wichtigste aufschreibt, was euch heute begegnet ist. Schreibt, wie ihr wollt, ein Gedicht, was auch immer. Aber ihr habt nicht mehr als zwanzig Minuten Zeit. Dann lesen wir zusammen durch, was ihr geschrieben habt. Ihr dürft nicht miteinander reden. Jede sitzt für sich. Und im Raum muß es ganz still sein.
    - Was ist mit den Sachen, die wir letztes Mal geschrieben haben? Wollen wir nicht darüber reden?
    Es war Leyla, die diese Frage stellte. Ihr Tonfall irritierte Jesper Humlin. Aber er ließ es sich nicht anmerken.
    - Natürlich werden wir darüber reden. Aber nicht jetzt gleich.
    Leyla stand auf und begab sich dahin, wo einige ihrer Verwandten saßen, und nahm ihren Platz unter ihnen ein. Tea- Bag saß auf ihrem Stuhl wie zuvor, den Kopf in die Steppjacke versenkt. Tanja verkroch sich in eine Ecke, so weit wie möglich von den anderen entfernt. Im Raum herrschte Stille. Jesper Humlin schaute zu Tea-Bag mit ihrem eingezogenen Kopf herüber. Sie schien völlig uninteressiert daran, was um sie herum passierte. Er stand auf.
    - Ich komme wieder, wenn die Zeit um ist.
    In seinem engen Büro hatte Pelle Törnblom Kaffee gekocht. Jesper Humlin betrachtete die alten, zerfledderten Plakate und dachte, es sei eine sehr sinnvolle Entscheidung, obwohl es ja eigentlich überhaupt keine Entscheidung war, die

Schreibübungen an einem Ort abzuhalten, der Schlägereien gewidmet war, obschon in organisierter Form.
    - Es läuft prima, sagte Pelle Törnblom und quetschte sich hinter dem überladenen Tisch auf einen Stuhl.
    - Wie kannst du sagen, daß es prima läuft? Wir haben doch gerade erst angefangen.
    - Das Leben ist

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