Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
darum, die Geschichte der USA neu zu erklären, oder besser: richtig zu erklären. Beispielsweise sei Amerika gar kein Einwanderungsland. Denn die
Founding Fathers
seien allesamt in Amerika geboren (oder vielmehr dort, wo heute Amerika ist). Oder der Bürgerkrieg: Jefferson Davis, der Präsident der Konföderierten, habe die Sklaverei sowieso abschaffen wollen, allerdings mit sozialverträglichen Übergangsfristen für die Plantagenbesitzer. Auch die Wahrheit über den Vietnamkrieg kommt ans Licht: Eigentlich sei das Militär erfolgreich gewesen, aber die Linken hätten es per Dolchstoß an der Heimatfront besiegt.
Eines der Bücher, die hier ausliegen, ist ›The 5000 Year Leap‹ von W. Cleon Skousen, Antikommunist, Mormone, kurzzeitiger Polizeichef von Salt Lake City und Historiker. Der 2006 verstorbeneSkousen stand der John Birch Society nahe, er war so rechts, dass FB I-Chef J. Edgar Hoover ihn beobachten ließ. Er vertrat die Ansicht, dass die Verfassung der USA eine göttliche Eingebung war, weshalb Amerika innerhalb von 200 Jahren vor allem durch technischen Fortschritt einen Sprung von 5000 Jahren gemacht habe (offenbar ist ihm entgangen, dass der gleiche technische Fortschritt auch außerhalb der USA stattgefunden hat). In einem freiheitlichen, gerechten System, meinte Skousen, gebe es nur vier schwere Verbrechen: Hochverrat, Feigheit – insbesondere die Feigheit, nicht in der Armee zu dienen –, Desertation und Homosexualität. Skousen hielt U S-Präsident Dwight D. Eisenhower für einen Agenten der kommunistischen Verschwörung, er attackierte die Rockefellers und die Rothschilds, später wurde er Berater von Ronald Reagan. Aber erst Glenn Beck machte sein Buch zur »Bibel der 12 / 9-Bewegung «, wie das Internetmagazin Salon. com schrieb; er verfasste für die Neuauflage sogar ein Vorwort.
An einem Stand zeigt ein besorgter Patriot ein Endlosvideo von der Eroberung des Kosovo durch die Moslems, irgendwann im Mittelalter, als Warnung vor der drohenden Übernahme der gesamten zivilisierten Welt. Warum unterstützen die USA dann die Kosovo-Albaner gegen die christlichen Serben? Der Mann hört das zum ersten Mal, und es interessiert ihn auch nicht. Er will über Moslems in den USA reden, die er für potenzielle Terroristen hält. »Die sind uns immer einen Schritt voraus«, sagt er. »Das Department of Homeland Security reagiert nur, anstatt die Initiative zu ergreifen. Aber wir müssen vorher wissen, was die sich ausdenken, um den nächsten Anschlag zu verhindern.« Die Terroristen könnten sich doch einfach ein Sturmgewehr in Phoenix kaufen und dann schießen. Der Mann guckt überrascht. Darauf ist er noch nicht gekommen.
Der amerikanische Südwesten, auch Phoenix, ist zur Hälfte hispanisch; in Städten wie San Antonio, El Paso und Albuquerque ist Spanisch quasi Amtssprache. Aber hier, in den kühlen Hallen des Konferenzzentrums, sind weit und breit nur Weiße zu sehen (außer den Saaldienern natürlich, die schwarz sind).Ein paar Cowboyhüte, ein oder zwei Althippies, überhaupt viele Ältere und noch mehr Besucher, die deutsche Namen haben; erkennbar an den Schildern, die sie tragen. Es gibt zwei Sorten Schilder:
Patriot
, das sind die echten Amerikaner, also die Mitglieder der Tea Party, und
Media
, das sind die regierungsfreundlichen, Latte macchiato trinkenden, Sushi essenden, hohe Steuern liebenden, Volvo fahrenden, ›NewYorkTimes‹ lesenden und von Hollywood begeisterten Asphaltjournalisten.
An einem Stand treffe ich schließlich auf einen Schwarzen mittleren Alters mit kurz rasierten Haaren. Als einziger Afroamerikaner unter ein paar Tausend Weißen fällt er auf. Ja, das mit der Sympathie für die Tea Party, das sei tatsächlich ein »ethnic thing«, stimmt er mir zu. Aber Sinn habe das nicht. »Die meisten Afroamerikaner sind konservativ und treten für Familienwerte ein, die passen politisch viel besser zur Tea Party als zu den Demokraten.« Er komme aus einer militärischen Familie, »da übernimmt man die Werte des Militärs, nicht die der Herkunft.«
An einem Stand, an dem das
Don’t thread on me
- T-Shirt (was so viel heißt wie
Lass mich in Ruhe
), mit der gelben Klapperschlange verkauft wird, steht ein Indianer mit langen schwarzen Haaren. Woher kommt er denn? Er ist Apache; aber sein Vater ist in den vierziger Jahren aus Mescalero nach Arizona gezogen, wo er sich als Mexikaner ausgegeben hat, weil Indianer damals keinen Alkohol trinken durften. Und
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