Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
warum ist er bei der Tea Party? »Wir haben zu viele Immigranten aus Mexiko, die unsere Fahne nicht respektieren und die unser Land übernehmen wollen, die will ich stoppen.«
Ein Großvater als Revoluzzer
Plötzlich geht ein Raunen durch die Menge: Ron Paul kommt! Der Arzt, der seit 1976 Galveston, eine texanische Stadt am Golf von Mexiko, in Washington vertritt, gilt als der »Vater der Tea Party«. Er ist ein
Libertarian
, ein Libertärer, ein Anhänger der Partei, die
big government
schon abgelehnt hat, als Sarah Palinnoch Schulballkönigin in Wasilla war. Der 7 6-jährige Paul ist nicht sonderlich groß, ein wenig verhutzelt, fast fragil, freundlich, aber bestimmt, er wirkt wie ein altmodischer Großvater, dem man die gelegentliche Schroffheit nachsieht, weil er halt so ist. Er ist selbstverständlich für freien Waffenbesitz und er lädt seine Wähler gerne zu Barbecues ein, wo seine Frau selbst gemachte Kochbücher mit den Bildern ihrer Enkel verschenkt.
Aber Paul ist kein klassischer Konservativer. Er ist ein echter
Grassroots -Kandidat
, einer, der von unten getragen wird. Sein Wahlkampf wird im Internet organisiert und von vielen einzelnen Spendern finanziert. Viele davon sind jung, Angehörige der Army, der Navy und der Air Force sind darunter, auch Studenten. Er war von Anfang an gegen den Irakkrieg, schon deshalb, weil er glaubte, der werde die USA ruinieren. Für den Krieg machte er, der ›New York Times‹ zufolge, ein »halbes Dutzend Neokonservative, welche die amerikanische Außenpolitik gekapert haben«, verantwortlich (umgekehrt mögen die Neokonservativen den Texaner auch nicht). Paul ist gegen das Freihandelsabkommen NAFTA und die Wehrpflicht. Er tritt für die Freigabe von Marihuana ein und sogar von Heroin.
In der allerersten Präsidentschaftsdebatte in New Hampshire hielt er eine flammende Rede, dass es von wenig Vertrauen in den freien Willen zeuge, wenn man glaube, mit der Freigabe von Heroin würden nun alle zu harten Drogen greifen. »Würde ein Einziger von Ihnen Heroin nehmen, bloß weil es erlaubt wäre?«, donnerte er in den Saal (einer seiner Unterstützer war der LS D-Guru Timothy Leary). Paul hat Julian Assange, den in den USA schwer umstrittenen Gründer von Wikileaks, verteidigt, weil die Redefreiheit in Amerika Verfassungsrang hat, und er kann sich sogar mit der Schwulenehe anfreunden, solange sie nicht »Ehe« genannt wird und die Bundesstaaten zuständig sind. Er führt einen Feldzug gegen die Federal Reserve, den »Tempel der Fed«, wie er sagt, mit ihrem »Hohepriester Greenspan«, bei dem er von Barney Frank Rückendeckung bekommt, dem Linksaußen der Demokraten. Kurz, Paul hat absolut keine Chance, gewählt zu werden.
Sobald Paul die Ausstellungshalle betritt, wird er von Fans, aber auch Journalisten umringt, die ihn fragen, was er denn als Präsident tun würde. »Ich bin für eine starke Landesverteidigung, dennoch würde ich bei den Militärausgaben kürzen«, sagt er. »Aber die etablierten Parteien sind dagegen, auch die Demokraten – die sind eingeschüchtert und glauben, sie müssten beweisen, dass sie nicht schwach sind. Da müssen wir Libertäre mit den Progressiven zusammenarbeiten.« Er fügt hinzu: »Eigentlich haben wir ein Ein-Parteien-System, die Republikaner und die Demokraten sind letztlich eine einzige Partei, die alles untereinander aufteilen. Dagegen sollten sich die Amerikaner mal wehren.« Was er von Immigration hält? Er wiegt den Kopf. »Wir müssen unsere Gesetze durchsetzen und außerdem: Unsere Krankenhäuser stehen kurz vor dem Bankrott, weil sie so viele Illegale behandeln müssen.« Falsch findet er allerdings den
Senate Bill 1070
, wonach die Polizei in Arizona die Papiere von Ausländern verlangen muss. »Bald dürfen auch wir Amerikaner nicht mehr ohne Pass unterwegs sein.« Schon jetzt müsse man an jeder Ecke den Führerschein vorweisen, »das ist ja wie in einem Polizeistaat«. Und, knurrt er noch, auf seiner Sozialversicherungskarte stehe zwar, sie diene nicht zur Identifizierung: »Aber wer’s glaubt, wird selig.«
Paul wuchs in Green Tree auf, einer Kleinstadt in Pennsylvania, aber schon seit 1968 lebt er mit seiner Frau Carol in Texas; sie haben fünf erwachsene Kinder. Der Lutheraner trat zu den Southern Baptists über, blieb im Herzen aber ein friedensliebender Protestant, wurde kein eifernder Southern Baptist. Seine Mutter und die Großeltern väterlicherseits stammen aus Deutschland. Woher? Er überlegt. »Mein
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