Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
Anschlag postete Palin Beileidsbekundungen auf ihrer Facebook-Seite. Ihre Sympathisanten erklärten, es habe sich nicht um Fadenkreuze gehandelt, sondern um Markierungen von Landvermessern. Und: Loughner sei ein Linker.
Bei Casa Grande biege ich südlich auf die I-8 ab, die deutlich weniger befahren ist als die I-10. Ein paar Lastwagen, ab und zu ein Auto. Schilder warnen, das Tempolimit von 75 Meilen pro Stunde einzuhalten, denn das werde vom Polizeihubschrauber aus überwacht. Die I-8, deren Mittelstreifen mehrere Hundert Meter breit ist, führt am Stammesland der Tohono O’odham vorbei und an Naturparks. Auch bei der nächsten Polizeikontrolle am Gila River werde ich wieder durchgewunken. Mein Auto nähert sich Yuma, der letzten Stadt in Arizona vor der Grenze zu Kalifornien, die am Colorado River liegt, der hundert Meilen weiter südlich in den Golf von Kalifornien mündet. Yuma ist eine saubere, aufgeräumte Kleinstadt in rosa Granit, mit weiß gekalkten Fassaden, gepflegten Gehsteigen und ein paar Palmen, die in der Mittagshitze gewässert werden. Die Hauptstraße führt durch die
Historic Downtown
. Hier liegen zwei Saloons, ein Kasino, ein Kino, das auch als Kulturzentrum dient, ein paar Läden, deren Angebot von Antiquitäten nahtlos zu Ramsch übergeht, ein Stand mit Power-Fruchtshakes und ein
diner
. Eine Ecke weiter gibt es ein bayrisches Restaurant, weiß und blau beflaggt, mit Schweinebraten und Semmelknödeln, neben einer irischen Bar. San Luis Río Colorado, die mexikanische Grenzstadt, ist nur wenige Meilen entfernt.
Yumas größte Arbeitgeber sind die US Army, die eine Air-Force-Basis für die
marines
mit einem Waffentestgelände unterhält, und die Gefängnisse. Yuma hat das älteste Gefängnis des »Wilden Westens«, das Yuma Territorial Prison von 1879, heute ein Museum. Das eigentliche, moderne Gefängnis ist der ArizonaState Prison Complex, eine befestigte, fensterlose Zementburg, vor der Polizisten mit der MP im Anschlag Wache stehen. Hier sind mehrere Tausend Gefangene untergebracht, darunter auch viele illegale Einwanderer, die auf die Abschiebung nach Mexiko warten. Dass Arizona die Front im Kampf gegen die Immigration bildet, ist kein Zufall. Arizona ist ein »Wildwest-Staat«, zu dessen Legenden Cowboys, Sheriffs und Outlaws zählen, die gegen die Apachen gekämpft haben. Von hier stammt auch der Vater der Konservativen, auf den sich die Tea Party – allen voran Pearce – beruft: Barry Goldwater, Airforce-Pilot, General der Nationalgarde und langjähriger Senator aus Phoenix, der im Senat zum Vorsitzenden des Intelligence Committee und des Armed Services Committee sowie zum Elder Statesman aufstieg. Goldwater war in den fünfziger Jahren Verbündeter des berüchtigten Kommunistenjägers Joseph McCarthy. Er kämpfte gegen die Gewerkschaften, den Sozialstaat und Franklin D. Roosevelts New Deal, der Amerika aus der Großen Depression geholfen hat. Er setzte sogar durch, den Roosevelt Lake, einen Stausee am Gila River, in Theodore Roosevelt Lake umzubenennen, damit die Namensgebung nicht als Ehre für den ungeliebten Weltkriegspräsidenten missverstanden werden konnte.
In den sechziger Jahren kandidierte Goldwater gegen Lyndon B. Johnson, den demokratischen Präsidenten und Amtsinhaber. Ayn Rand unterstützte ihn. Er verlor, aber sein Einfluss prägt die GOP bis heute. »Goldwater hat die Republikaner von einer Partei für Ostküsteneliten zur Geburtsstätte für die Wahl von Ronald Reagan umgeformt«, meinte sein Nachfolger John McCain. In der Tradition steht heute das Goldwater Institute in Phoenix, das für das Recht auf Privateigentum, niedrige Steuern und eine möglichst große Regierungsferne eintritt. Das Institut hat einen Etat von zwei Millionen Dollar, der von Sponsoren kommt, darunter der Grundbesitzerverein von Arizona und die Stiftung des Milliardärs Charles G. Koch.
In der Original Constitution, zu der die Tea Party zurückwill, steht aber kein Wort von einer Begrenzung der Einwanderung, sondern nur, dass sie ermöglicht werden soll. In Artikel 1, Sektion8, heißt es, der Kongress der USA solle die Macht haben, ein
uniform rule of naturalization
zu etablieren, ein Gesetz, wie die Staatsbürgerschaft erlangt werden kann. An eine Begrenzung dachte damals niemand – das Land wollte Leute anlocken. Und wer sich die Geschichte der Immigration ansieht, wird feststellen, dass die Debatten und Befürchtungen, die heute aufkommen, sich im Lauf der
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