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Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht

Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht

Titel: Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva C Schweitzer
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Promenade am Lake Michigan. Die alten Landungsbrücken, die in den See hineinragen, wurden schick renoviert, mit Restaurants und Riesenrädern. Moderne Skulpturen stehen hier, darunter
Cloud Gate
, eine riesige verspiegelte Bohne, in die Passanten hineingucken und sich zuwinken, auch das Haus des Chicago Symphony Orchestra liegt hier und das Art Institute of Chicago. Dessen moderner Flügel wurde   – wie auf einer Tafel an dem Gebäude steht   – von dem langjährigen Bürgermeister Richard M.   Daley eröffnet, dem Sohn von Richard J.   Daley, der Chicago von 1955 bis 1976 regierte. Als irische Katholiken gingen beide Daleys täglich zur Messe, als
machine politicians
schlossen die beiden Demokraten Hinterzimmerdeals mit Gewerkschaftlern, Geschäftsleuten und irischen, deutschen und polnischen Gemeindeführern. Heute ist Rahm Emanuel Bürgermeister, Obamas früherer Stabschef.
    Weiter westlich, am Bahnhof Union Station, steht der Willis Tower, besser bekannt als Sears Tower. Seit dem Anschlag auf das World Trade Center ist er das höchste Hochhaus der USA, knapp gefolgt vom Trump International Hotel and Tower, ebenfalls in Chicago. Nur wenige Schritte weiter liegt die Börse, die drittgrößte der Welt, im Chicago Board of Trade Building von 1930.   Der Wolkenkratzer aus rosa Sandstein ist mit Statuen geschmückt, darunter einem Ägypter, der Weizenähren trägt, und einem Indianer mit einem Büschel Mais in der Hand. Von der Spitze grüßt eine fast zehn Meter hohe, vergoldete Statue von Ceres, der römischen Fruchtbarkeitsgöttin. Dies hier ist der Geburtsort der Tea Party.
    Die Geburt der Tea Party: Der Aufstand der Derivatehändler
    Es war auf dem Parkett der Chicagoer Börse, wo Rick Santelli am 19.   Februar 2009 öffentlich einen Wutausbruch hatte. Santelli ist ein Finanzjournalist, der für den NB C-Wirtschaftssender CNBC arbeitet. Gerade war die Nachricht hereingekommen, dass Barack Obama, der vor sechs Wochen sein Amt angetreten hatte, ein Regierungsprogramm aufgelegt hatte, den
Homeowners Affordability and Stability Plan
. Damit sollte Leuten geholfen werden, die ihr Häuschen nach dem Platzen der Immobilienblase zu verlieren drohten. Das fand Santelli empörend. Der Börsenjournalist und gebürtige Chicagoer, der noch immer mit dem Akzent der südosteuropäischen Immigranten spricht, forderte zum Widerstand auf: »Wie wäre es mit einem Referendum darüber, ob wir wirklich die Hypotheken dieser Versager subventionieren sollen?«, rief er, live auf CNBC. »Wollen wir nicht lieber die belohnen, die das Wasser tragen, als die, die es trinken?«
    Er wurde bejubelt von den Börsenmaklern, die sich um ihn versammelt hatten. Santelli wurde lauter. »Das ist Amerika!«, rief er und wandte sich direkt an die Börsianer neben ihm. »Wie viele von euch wollen die Hypothek ihres Nachbarn bezahlen, der sich ein zweites Badezimmer geleistet hat? Hebt eure Hand! Präsident Obama, hören Sie zu? Das hier ist moralischer Schiffbruch!« Die Börsenmakler pfiffen und klatschten. »Wie wäre es, wenn wir alle nicht zahlen?«, rief einer in Santellis Mikrofon. »Wie wäre es mit einer Tea Party am Lake Michigan, wo wir einige Derivate in den See werfen!«, schlug Santelli vor. »Ich höre, dass Bürgermeister Daley schon die Polizei mobilisiert!« Dann drehte er sich um und deutete auf ein paar Makler auf dem Börsenparkett, die ihn anfeuerten. »Das hier ist ein typischer Querschnitt Amerikas, die schweigende Mehrheit.«   – »Nicht ganz so schweigend«, entgegnete der Moderator im Studio trocken. Und auch nicht die Mehrheit, müsste man hinzufügen. Es handelte sich hier um die gleichen Derivatehändler, die die Krise zu verantworten hatten.
    Der Moderator schlug nun vor, Santelli solle als Senator kandidieren   – worauf der entgegnete, er wolle sich nicht stündlich duschen müssen. »Na, dann herzlichen Glückwunsch zu deiner Reinkarnation als revolutionärer Führer«, meinte der Moderator daraufhin. Und Santelli: »Lies mal die Gründungsväter, Benjamin Franklin und Thomas Jefferson! Die würden sich im Grab umdrehen, wenn sie wüssten, was wir heute in unserem Land machen.« Derweil warnten die Schlagzeilen am Bildrand davor, dass die Technologiebörse Nasdaq die Hälfte ihres Wertes verloren hatte.
    Dabei ist das Programm, über das sich Santelli aufregte, bescheiden. Es waren 75   Milliarden Dollar dafür vorgesehen, von denen der Kongress nur dreißig Milliarden Dollar bewilligte   – ein

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