Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
die meisten Arbeitsplätze sind heute nach China ausgelagert. Die Reise geht weiter: durch die Wälder und die Seenlandschaft Michigans, durch Kalamazoo, Battle Creek, die Universitätsstadt Ann Arbor und durch Dearborn, wo Henry Ford seine legendäre Autofabrik gründete; Endstation: Detroit.
Wie Chicago, so hat auch Detroit einen Prachtbahnhof aus Marmor und Granit, mit Säulen und hohen Gewölbegängen, die alte Michigan Central Station. Aber das Gebäude ist leer und verfallen. Der Zug hält an einem provisorischen Bahnhof zwischen dem Henry Ford Hospital und dem Edsel Ford Freeway, an der Woodward Avenue, dem zentralen Boulevard der altenAutostadt. Auch Detroit liegt an einem der großen Seen, dem Lake Erie. Die Stadt von Ford, Chrysler und General Motors wurde von Franzosen gegründet und als Fort im Indianerland errichtet. Sie ist mehr als 300 Jahre alt und damit fast doppelt so alt wie Chicago.
Detroit – einst das »Paris des Westens« genannt – ist gleichfalls berühmt für seine Architektur, für seine mächtigen Art-déco-Wolkenkratzer, wie das Cadillac Hotel oder das Fisher Building. Albert Kahn hat in Detroit gebaut, Frank Lloyd Wright und Ludwig Mies van der Rohe. An achtspurigen Alleen reihen sich Beaux-Art-Prachtbauten aneinander, wie das Detroit Institute of Arts, das Detroit Science Center und die Wayne State University.
Aber die Straßen der Downtown sind gespenstisch leer, auch tagsüber. Es gibt kaum Geschäfte, nicht einmal Fastfood, außer in ethnischen Vierteln wie Greektown. Am Detroit River, der die USA von Kanada trennt, liegt das Renaissance Center, ein Ensemble von gläsernen Wolkenkratzertürmen. Hier befindet sich das Hauptquartier von General Motors – zumindest
noch
. Der einst größte Autobauer der Welt zieht sich nach und nach aus Detroit zurück. Der Prozess begann bereits in den sechziger Jahren, als japanische, dann auch deutsche und koreanische Autobauer auf den Markt drängten. Bei den »großen Drei« arbeiteten gewerkschaftlich organisierte Arbeiter, die gute Sozialleistungen bis ins Rentenalter bekamen. Toyota, Honda und Mercedes aber bauten Fabriken im Süden, wo es keine Verpflichtung gibt, Gewerkschaftler einzustellen. Die Cadillac-Fertigung in Detroit machte 1987 dicht, weitere Fabriken folgten. Und mit den Autobauern verschwanden die Zulieferbetriebe und die Arbeitsplätze.
Am Tag nach der Lehman-Pleite (der gleichzeitig der Tag nach dem hundertjährigen Bestehen von General Motors war) reisten die drei Vorstandsvorsitzenden von GM, Chrysler und Ford nach Washington, jeder in seinem eigenen Firmenjet, und baten den Kongress um Subventionen von 7,5 Milliarden Dollar. Das war noch unter George W. Bush. Zwei Monate später kamen siewieder; nun wollten sie 25 Milliarden Dollar haben. Unter Obama sollten dann mehr als achtzig Milliarden Dollar fließen. Das bewahrte GM aber nicht vor einem Konkurs. Gewerkschaften, Aktionäre und natürlich die Steuerzahler verloren viel Geld. General Motors wurde restrukturiert und baut heute wieder Autos, aber als deutlich verschlankter Konzern. Mitt Romney hatte damals in der ›New York Times‹ gefordert, die Autobauer in den Konkurs gehen zu lassen, um sie zum Umbau zu zwingen. Er wurde dafür viel gescholten, aber letztlich war es das, was Obama tat.
Aber nicht nur wegen des Niedergangs von General Motors verließen die Detroiter die Stadt in Scharen, auch die Suburbanisierung Amerikas trug dazu bei. Detroit war einst die viertgrößte Stadt der USA mit fast zwei Millionen Menschen. Heute sind es noch 714 000. Von denen sind achtzig Prozent schwarz (zwölf Prozent hispanisch oder arabisch und acht Prozent weiß) und viele arm. Die Arbeitslosenrate liegt offiziell bei zwanzig Prozent, inoffiziell ist sie jedoch doppelt so hoch. Der Stadtkasse fehlt es an Geld für die Feuerwehr und die Polizei. Detroit liegt in der Kriminalitätsrate an dritter Stelle in den USA (an erster Stelle liegt St. Louis, Missouri, gefolgt von Camden, New Jersey).
Die Schwarzen kamen mit der
Great Migration
, die um 1910 begann. Damals flohen Millionen von Afroamerikanern vor der Diskriminierung in den Südstaaten in die Städte des Nordens: New York, Chicago, Baltimore, Washington, D.C. und Detroit. Sie brachten den Jazz mit, den Blues und die Armut. Die Weißen wehrten sich, erst mit politischen Mitteln, dann mit illegalen, zum Teil mit Gewalt, bis hin zur Brandstiftung. Schließlich zogen sie weg, in die Suburbs, um
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