Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
»bessere Schulen zu finden und um der Kriminalität zu entgehen«, wie der Historiker Thomas Sugrue in der ›New York Times‹ darlegte. Das sei die Umschreibung für »von den Schwarzen wegziehen«. Damals verlor Detroit die Hälfte der Bevölkerung, fast ausschließlich Weiße.
Seit den fünfziger Jahren subventionierte Washington Häuslebauer in den Suburbs, aber Schwarze bekamen in solchenWohngegenden keinen Bankkredit für den Hauskauf. Banken und Makler betrieben das sogenannte
redlining
, rote Linien markierten auf einem Stadtplan, wo Kredite restriktiv gehandhabt wurden. Das sollte sich jedoch ändern, als mit der Bürgerrechtsbewegung auch Lobbys wie die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) Einfluss gewannen. Die Clinton-Regierung und ihr Wohnungsbauminister Henry Cisneros setzten sich gegen
redlining
ein, mit Subventionen und Sanktionen, Zuckerbrot und Peitsche. Nun konnten endlich auch Mittelklasse-Afroamerikaner Häuser in den Suburbs erwerben.
In den letzten zehn Jahren zog die schwarze Mittelklasse aus Detroit fort, also noch einmal ein Viertel der Bevölkerung und damit mehr als aus jeder anderen US-amerikanischen Stadt – New Orleans ausgenommen. Zurück blieben die Menschen, von denen Rick Santelli glaubt, dass sie durch ihre Anspruchshaltung »den amerikanischen Staat ausplündern«. Aber auch die Schwarzen, die in die Suburbs gezogen waren, fanden »zu ihrem Ärger heraus, dass Integration nur eine vorübergehende Phase meinte«, schreibt Sugrue. »Nämlich die Phase zwischen dem Tag, an dem die ersten Schwarzen einzogen, und dem Tag, an dem die letzten Weißen ihre Kinder aus den öffentlichen Schulen nahmen.«
Im Sommer 2011 kommt eine Gruppe von Stadtplanern von der New Yorker Columbia University zu einer Tagung nach Detroit. Sue Mosey von der örtlichen halbstaatlichen Gesellschaft Midtown Development Group Inc., eine resolute Frau, führt die Gäste durch mehrere desolate Stadtviertel. Durch Viertel wie »Indian Village« mit seinen Stadtvillen, die trotz der blätternden Farbe noch imposant wirken, und wo die Eigentümergemeinschaften dafür sorgen, dass verlassene Gärten nicht verwahrlosen, damit die Grundstückspreise nicht sinken; aber auch durch einfachere Gegenden, wo jedes dritte Haus verrammelt ist. »Detroit war einmal berühmt dafür, dass sich auch Handwerker ein Häuschen leisten konnten«, sagt Mosey.
Von der Immobilienkrise von 2008 wurde die Stadt härter getroffen als viele andere. Jeder, der es sich noch leisten konnte, zog möglichst schnell weg. Deshalb brachen die Hauspreise in Detroit noch stärker ein als andernorts, im Schnitt fielen sie von 77 000 Dollar auf 45 000 Dollar. Einer von 68 Haushalten ging bankrott, weil die Kreditzinsen zu teuer wurden. »Viele ließen das Haus marode und leer zurück und gingen einfach«, sagt Sue Mosey. Dann fragt sie, ob wir noch mehr
blight
, urbanen Verfall, sehen wollen. Die Stadt habe zwanzig Prozent Brachfläche. Sie könne uns aber auch urbane Gärten zeigen, wo die Detroiter Gemüse züchten, für den eigenen Kochtopf. Die Gärten liegen zwischen Abbruchhäusern; die drei jungen schwarzen Männer, die dort arbeiten, wirken nicht so, als wüssten sie, wie man den Boden bestellt. Ich frage Mosey, ob es hier eine Tea Party gibt. Sie grinst. »Eher nicht«, sagt sie. Es gibt zwar ein message board für eine Detroiter Tea Party im Internet, aber die letzte Nachricht ist Jahre alt.
Am Abend diskutieren vier Bürgermeister aus dem
Rust Belt
über die Krise, darunter David Bing aus Detroit und Dayne Walling, der aus dem nahen Flint kommt, der Heimatstadt von Michael Moore. Alle Städte des
Rust Belt
haben massiv Einwohner verloren, alle Bürgermeister – außer Walling – sind schwarz; und alle klagen, dass die Stadtkassen genauso wenig haben wie die Bewohner: »Früher war der Reichtum in den Städten, heute ist er in den Suburbs«, sagt David Bing. »Deshalb sind die viel besser versorgt, was Schulen, Krankenhäuser oder Polizei angeht. Das muss anders verteilt werden.« Aber die Leute in den Suburbs wollten nichts abgeben, die seien ja gerade deshalb weggezogen. Walling meint, man dürfe noch nicht einmal reden über die
shrinking cities
, die schrumpfenden Städte des
Rust Belt
. »Ich habe den Begriff einmal in der ›New York Times‹ verwendet, danach hat mich Rush Limbaugh im Radio drei Tage lang als Verschwörer, Sozialist und Wachstumsgegner bezeichnet.«
Nun
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