Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
kommt der Stargast des Abends: Henry Cisneros, Bill Clintons Generalsekretär des HUD (Department of Housingand Urban Development). Cisneros, der frühere Bürgermeister von San Antonio, war ein aufstrebender Politstar, bis ihm eine Affäre zum Verhängnis wurde, bei der herauskam, dass er Gelder an seine frühere Geliebte gezahlt hatte. Aus Sicht der Tea Party ist er einer der Hauptschuldigen an der Bankenkrise. Er hat die Politik des
Fair Housing
und die
Fair Lending Laws
zu verantworten; unter ihm wurden die Regeln der Kreditvergabe beim Hausbau gelockert, er ging zudem mit Strafzahlungen gegen Banken vor, die Kredite verweigerten. Am Ende von Clintons Amtszeit besaßen 67,5 Prozent der Amerikaner ihre eigene Bleibe, ein Zuwachs von vier Prozent. Das lag vor allem daran, dass nun auch Ärmere und ethnische Minderheiten Häuser erwerben konnten.
Cisneros ist ein begnadeter Redner. Er schlägt den Bogen von der Großen Depression 1929, dem Zweiten Weltkrieg, der Bürgerrechtsbewegung zu den Krawallen von 1967, als Schwarze in Detroit einen bürgerkriegsartigen Aufstand probten. Erst nach fünf Tagen des Plünderns und Brandschatzens hatte Michigans Gouverneur George Romney – Vater von Mitt Romney – die Nationalgarde geschickt und Präsident Lyndon B. Johnson die Armee. Zurück blieben 43 Tote und mehr als 2000 ausgebrannte Gebäude. Es dauerte auch deshalb so lange (schrieb Geschichtsprofessor Sidney Fine in ›Violence in the Model City‹), weil sich die Verantwortlichen uneins waren: Bürgermeister Jerome Cavanagh, ein irischer Katholik, mochte den Gouverneur, einen Mormonen, nicht um Hilfe bitten, während der Demokrat Johnson mit Hilfe zögerte, weil der Republikaner Romney vorhatte, bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn zu kandidieren. Derweil brannte die Stadt.
Cisneros spricht nun über die Wende in den achtziger Jahren, als die Restaurierung der Innenstädte einsetzte – nur eben leider nicht in Detroit. »Unsere Städte sind unsere Identität«, sagt Cisneros. Ich frage ihn, was er von Sarah Palins Ansicht hält, dass echte Amerikaner aus Suburbs und Kleinstädten kommen. Er schüttelt den Kopf. »Amerika wurde in den Städten geschaffen, von den Immigranten«, sagt er. Aber daraus einen Gegensatz zukonstruieren, sei falsch. »Wir müssen unser Land gemeinsam aufbauen.«
Cisneros war erfolgreich in seinem Kampf gegen das
redlining
, aber leider zeitigte dies unschöne Nebenwirkungen: Drei große Hypothekenbanken hatten das Gros der Kredite vergeben, Fannie Mae und Freddie Mac (die im Rahmen des New Deal gegründet wurden und den Demokraten nahestehen) sowie Countrywide. Allein Countrywide hielt zwanzig Prozent aller Immobilienkredite. Dem Druck aus Washington und den gelockerten Regulierungen geschuldet vergaben die drei nun zwar mehr Hypotheken an ärmere und schwarze Amerikaner, aber eben oft die beklagten
subprime loans
zu schlechteren Konditionen und überhöhten Zinsen. Countrywide hatte sogar gezielt schwarze und hispanische Familien kontaktiert, um ihnen Verträge mit hohen Zinsen anzudienen. Als die Immobilienblase platzte, gingen diese Familien als Erste unter. 2009, auf dem Höhepunkt der Krise, bewilligte der Kongress bis zu anderthalb Billionen Dollar aus Steuergeldern, um Fannie, Freddie, Countrywide und andere Sparkassen aufzufangen – sehr zum Ärger der Tea Party.
Der Ärger war auch deshalb besonders groß, weil die Tea Party diese Hypothekenbanken als Selbstbedienungsläden für die Demokraten ansah. Und nicht zu Unrecht: Noch vor der Lehman-Krise, im Juli 2008, hatte das Wirtschaftmagazin ›Condé Nast Portfolio‹ herausgefunden, dass Angelo Mozilo, der Vorstand von Countrywide, eine Liste führte: »Friends of Angelo«. Wer daraufstand, bekam bessere Kreditzinsen und musste weniger oder gar keine Gebühren zahlen. Zu diesen »Freunden« zählten Kent Conrad, der Chairman des Senate Budget Committee, und Christopher Dodd, der Chairman des Senate Banking Committee – beides Demokraten; außerdem zwei leitende Manager von Fannie Mae; auch Cisneros selbst, der nach seinem Rücktritt von seinem Amt bei Housing and Urban Development nun Aufsichtsrat von Countrywide geworden war, wurde von Angelo als »Freund« geführt. Allerdings standen auch Republikaner auf der Liste, wie Ed Royce, der dem House Committeeon Financial Services vorstand. Countrywide wurde von der Bank of America aufgekauft, die 14 Milliarden Dollar für faule Kredite in die Bilanz
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