Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
scheiterte jedoch, als die Vorboten des Bankenkrachs schon zu erkennen waren.
Auch für die Tea Party ist es nicht ungefährlich, solche Forderungen zu propagieren. Ihre Anhänger sind in der Anfangsphase vor dem Kapitol mit Schildern aufgezogen, auf denen stand: »Government, hands off my Medicare«, Regierung, Finger weg von meiner Medicare. Offenbar glaubten sie, dass Medicare eine private Versicherung ist, dabei ist es ein Bundesprogramm, wie auch Social Security und Medicaid, im New Deal unter Roosevelt eingeführt. Wenn sich die Tea Party allzu laut auf Kürzungen solcher Programme kapriziert, dürften ihr die Mitglieder davonlaufen. Deshalb wehrt sich Michele Bachmann öffentlich gegen Kürzungen bei Medicare.
Für konservative Christen wie Bachmann, Rick Santorum oder Rick Perry geht es sowieso weniger um das Budget als vielmehr darum, über eine Mittelkürzung bei Medicaid ihre christlich-konservativen Ideen durchzusetzen und damit Abtreibung, Verhütung sowie die »Pille danach« zu verbieten. Allerdings: Teilen wollen die Medicare-Bezieher ungern. Als bei einer Debatte alle Kandidaten gefragt wurden, ob ein verunglückter Dreißigjähriger ohne Krankenversicherung medizinische Hilfe bekommen solle, riefen mehrere Zuschauer: »Let him die«, lasst ihn sterben.
Das Comeback der alten Garde
Für die alte Republikaner-Garde um Gingrich, Armey und Boehner ist die Tea Party nur ein neues Vehikel, um ein Comeback in Washington zu inszenieren und den Sozialstaat zu demontieren, soweit sie das unter Clinton noch nicht geschafft haben. Als Fraktionsvorsitzender war Gingrich 1998 zurückgetreten, aber im Rampenlicht war er geblieben, er machte nun das, was alle Politiker tun: Geld verdienen. Er schrieb Bücher, darunter eines, in dem er die Ansicht vertrat, dass die Gründungsväter ein christliches Amerika gewollt hatten. Das brachte ihm eine Einladung des Evangelisten Jerry Falwell ein. Er trat in Dokumentarfilmen auf und er ließ sich als Berater von Think-Tanks wie dem neokonservativen American Enterprise Institute und der libertären Hoover Institution engagieren. Er hielt bezahlte Reden und er gab als Gastkommentator bei Fox News seine Meinung zum Besten.
Als Kandidat allerdings hat er ein paar Handicaps: Er ist zwei Mal geschieden, und er hat eine seiner Ehefrauen auf dem Krankenbett verlassen (der zum Katholizismus Konvertierte sagt dazu, Gott habe ihm vergeben). Die Tatsache, dass seine Schwester Candace Gingrich-Jones eine lesbische Aktivistin ist, bringt ihm bei Konservativen auch keine Pluspunkte. Und so recht ist sein Wahlkampf auch nicht vom Fleck gekommen: Er begann ihn damit, indem er auf Wunsch seiner Frau Callista zu einer Kreuzfahrt zu den griechischen Inseln aufbrach, anstatt in Iowa und New Hampshire auf anstrengende Kampagnentour zu gehen. Prompt kündigten sein Wahlkampfchef und fast alle Mitarbeiter, weil sie den Eindruck hatten, er nehme die Wahl nicht ernst und überlasse Callista das Heft. Einige von ihnen liefen zum texanischen Gouverneur Rick Perry über. Dann fanden Zeitungen heraus, dass er beim New Yorker Luxusjuwelier Tiffany einen Kreditrahmen von einer halben Million Dollar hat; auch nicht gerade ein Zeichen für einen Mann des Volkes. Als Nächstes brüskierte er auch noch öffentlich die Tea Party: Im Fernsehen bezeichnete er die geplanten Sozialprogrammreformen als»right-wing social engineering«, einen radikalen Gesellschaftsumbau von rechts, der nicht gut für eine freiheitliche Gesellschaft sei. Als er sofort zurückruderte, wirkte er, als wisse er nicht, was er sage.
Nun ist Gingrichs Wahlkampagne tief verschuldet. Dabei nutzt er seine neuerliche T V-Präsenz , die er seinem Wahlkampf verdankt, um überall seine vielen Bücher und DVDs anzupreisen. Aber die Erlöse daraus lässt er seiner Privatschatulle zukommen, nicht der Wahlkampfkasse. Beobachter vermuten, dass er nur noch auf die PR aus ist. Und vielleicht geht es dem alten Parteilöwen auch um ein wenig Aufmerksamkeit für seine Person.
Obwohl Gingrich sich laufend im Namen der Tea Party zu Wort meldet, sind es heute doch andere Republikaner, die als Vertreter der Bewegung gelten. Der Tea Party gelang der Durchbruch in Washington mit der Wahl von 2010 zum Repräsentantenhaus, als frustrierte Obama-Wähler und erboste Republikaner der
Grand Old Party
eine parlamentarische Mehrheit bescherten. Das brachte auch ein paar Dutzend Abgeordnete und Senatoren nach Washington, die der Tea Party nahestehen, wie Rand Paul,
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