Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
Walker den Unternehmen 117 Millionen Dollar an Steuern erlassen hatte, erfuhren die Wähler, wo das Geld eingespart werdensollte: bei Lehrern, Sozialarbeitern, Waldhütern, Straßenbauarbeitern und anderen staatlichen Angestellten. Walker wollte deren Gehälter, Zuschüsse zur Krankenversicherung und Pensionen kürzen, aber auch Stellen streichen. »Dabei hat Wisconsin gerade mal 200 000 Staatsbedienstete, nur noch halb so viel wie vor zwanzig Jahren«, sagt Brendan Fischer vom Center for Media and Democracy. Vor allem wollte Walker den Gewerkschaften das Recht nehmen, über Manteltarifverträge zu verhandeln und über Lohnerhöhungen, was Robert La Follette sen. durchgesetzt hatte. Und er wollte die Regelung ändern, dass die Gewerkschaftsbeiträge der staatlichen Angestellten direkt vom Lohn abgezogen werden, was in Amerika üblich ist. »Nur die Feuerwehr und die Polizei waren davon ausgenommen«, sagt Fischer. »Angeblich aus Gründen der inneren Sicherheit, aber welcher Gouverneur legt sich schon gerne mit der Polizei an?« Auch bei Schulbauten und Universitäten will Walker sparen. Er weigerte sich sogar, einen Zuschuss von 800 Millionen Dollar aus Washington für den Bau eines Hochgeschwindigkeitszuges von Milwaukee nach Madison anzunehmen. Er wolle nicht, sagte er, dass der Staat womöglich den laufenden Betrieb der Bahn subventionieren müsse.
Madison erlebte daraufhin einen Aufruhr, der seinesgleichen suchte. Im bitterkalten Februar belagerten Zehntausende von Gewerkschaftlern das Capitol, darunter viele Lehrer. »Wir standen wochenlang in der Kälte und im Schneetreiben«, sagt Fischer. Die Demokraten im Senat von Wisconsin weigerten sich, dem Gesetzesentwurf zuzustimmen. Zwischendurch verließen 14 demokratische Senatoren sogar den Staat und passierten die Grenze nach Illinois; sie wollten, dass bei der Abstimmung nicht die notwendige Mindestzahl an Abgeordneten vertreten war. Walker drohte, ihnen das FBI hinterherzuschicken, was dann doch nicht geschah. Aber auch die staatlichen Gewerkschaften weigerten sich, ihre Tarifrechte aufzugeben. Letztlich stimmten die Republikaner einfach alleine ab. Die Demokraten gingen dagegen vor Gericht; und es gibt nun auch Klagen gegen einzelne Senatoren, ob sie überhaupt rechtmäßig gewählt wurden. AllesWeitere hänge jetzt vom Supreme Court in Wisconsin ab, sagt Fischer. Das könne noch etwas dauern.
Bei dem Kampf zwischen Gewerkschaften und Scott Walker geht es nicht nur um Wisconsin. Der Staat am Lake Michigan ist nur der Vorreiter in einem amerikaweiten Kampf gegen gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer, der von Industriellen finanziell unterstützt wird. »Und der richtet sich nicht nur gegen die Gewerkschaften, sondern noch mehr gegen die Demokraten«, sagt Fischer. »Die meisten Konzerne unterstützen heute den Wahlkampf von Republikanern, deshalb sind die Gewerkschaften die letzte Bastion, nur sie können aus ihren Beiträgen noch größere Spenden an die Demokraten abführen.« Ähnlich hat es der abtrünnig gewordene Demokrat Dick Morris auf der Tea Party Convention in Phoenix formuliert: »Die Lehrergewerkschaften sind das Rückgrat der Demokratischen Partei – und wir werden dieses Rückgrat brechen.«
Milliardäre im Hintergrund: Die Koch-Brüder
Die wichtigsten Industriellen, die Scott Walker, aber auch andere der Tea Party nahestehende Politiker unterstützen, sind die Brüder Charles und David Koch mit ihrer Firma Koch Industries. Das Unternehmen sitzt in Wichita, Kansas, und ist in der Chemie-, Energie-, Kunststoff- und Ölbranche tätig; der Konzern besitzt Ölraffinerien, Pipelines und Fabriken. Mit hundert Milliarden Dollar Jahresumsatz sind Koch Industries laut dem Wirtschaftsmagazin ›Forbes‹ das zweitgrößte Unternehmen der USA in Privatbesitz, das also nicht börsennotiert ist. Bis vor Kurzem kannten nur Insider die Koch-Brüder, obwohl sie seit Jahrzehnten konservative, libertäre und businessfreundliche Politiker, Vereine, Lehrinstitute und Think-Tanks unterstützen. Mehr als hundert Millionen Dollar haben sie dafür ausgegeben. Charles Lewis vom Center for Public Integrity sagte zum ›New Yorker‹, er arbeite seit Watergate in Washington, aber er habe noch nie eine derartige Ballung von Ungesetzlichkeit, politischer Manipulationund Vertuschung erlebt. »Die Kochs«, so schreibt ›New Yorker‹-Autorin Jane Mayer, »waren schon immer Libertäre, die glauben, Steuern müssten drastisch gesenkt werden, für die
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