Tea Party Die weisse Wut - Was Amerikas Neue Rechte so gefaehrlich macht
sei es gar nicht um die Sklaverei gegangen, denn der Norden habe wenige Jahre zuvor noch selbst Sklaven gehalten. Nach dem Verbot der Sklaverei habe der Norden seine Sklaven nicht etwa freigelassen, sondern in den Süden verkauft. In Wirklichkeit sei es um
states’ rights
gegangen, die Rechte der Bundesstaaten, die Abraham Lincoln verletzt habe. »Lincoln hat beide Seiten angelogen«, meint Gipson. Dabei habe es in den USA immer schon Sezessionsbestrebungen einzelner Staaten gegeben. Die Bundesstaaten seien der Union freiwillig beigetreten und sie könnten auch wieder austreten, wenn sie das wollten.
Aber der eigentliche Grund für den Einmarsch des Nordens in den Süden seien die Staatsfinanzen gewesen. Damals, sagt Gipson, habe es keine Einkommenssteuern gegeben, sondern nur Ein- und Ausfuhrzölle. Und der Süden, mit seiner blühenden Wirtschaft und seinen vielen Häfen (wo Sklaven importiert und Baumwolle exportiert wurden), habe siebzig Prozent der Staatseinnahmen erwirtschaftet, die nach Washington gingen. Diese seien mit dem Austritt der Südstaaten weggefallen. »Im Prinzip war das ein Wirtschaftskrieg«, sagt Gipson. Auch dem Süden sei es um die Erhaltung seiner Wirtschaftskraft gegangen. »Ein Sklave war damals viel wert, um die 2000 Dollar, das wären heute gut 20 000 Dollar«, sagt Gipson. »Die Aufhebung der Sklaverei, das war eine Enteignung im Milliardenwert, das konnten sich die Plantagenbesitzer nicht gefallen lassen.«
Glaubt er ernsthaft, dass Schwarze auf Dauer Sklaven, also »Besitz« hätten bleiben können? »Natürlich nicht«, sagt er. Aber die Lage sei damals nicht so eindeutig gewesen. »Einige Schwarze und auch Indianer haben sogar Sklaven gehalten.« Und die Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß seien im Süden viel besser, viel familiärer gewesen, als das heute dargestellt werde. »Es gab auch Schwarze, die für die Armee der Konföderierten gekämpft haben, weil sie ihre Heimat verteidigen wollten.« Er klingt nun wie eine Südstaatenversion von MicheleBachmann. Das eigentliche Problem seien sowieso die irischen Einwanderer gewesen, fährt er fort. »Die Iren, die vor der Kartoffelfäule flohen, waren bereit, für sehr wenig Geld zu arbeiten.« Aber die Iren wollten nicht im heißen Süden leben, die blieben im Norden. »Plötzlich war es für den Norden billiger, Iren anzustellen, als für den Süden, Sklaven zu kaufen, das brachte die ganze Wirtschaft durcheinander.« Als letzter Kämpfer im Bürgerkrieg habe sich übrigens Stand Watie ergeben, ein Häuptling der Cherokee und Brigadegeneral der Konföderiertenarmee.
Die Schulkinder hängen gebannt an Gipsons Lippen. Er lächelt eines der Mädchen an, eine vielleicht zwölfjährige Schwarze mit sehr langen krausen Haaren. »Du bist Halbindianerin, Chickasaw, ursprünglich aus Mississippi, stimmt’s?«, fragt er. »Das sehe ich an deinen Wangenknochen.« Seine eigenen Kinder, erklärt er mir später, werde er selbst erziehen und sie nicht in staatlichen, unchristlichen Schulen verderben lassen. Solange er das noch dürfe. Im Übrigen – er klingt immer mehr wie ein Tea Partier – sei auch ObamaCare illegal, davon stehe nämlich nichts in der Verfassung. »Die Regierung darf uns nicht zwingen, eine Krankenversicherung abzuschließen.« Ich weise ihn darauf hin, dass in der Verfassung auch nichts von einer Begrenzung der Einwanderung steht, da wird er ungehalten. »Ja, aber die Verfassung kann durch Gesetze ergänzt werden. Wir sind ein Land der Gesetze.« Dann beschwert er sich über die Medien, die seien alle schwer links. »Die Einzigen, die ausgewogen berichten, sind Fox News.« Von anderen Sendern würden die Konservativen immer verzerrt dargestellt: »Beispielsweise waren es die Dixiecrats, die Demokraten des Südens, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Konföderiertenfahne auf dem Pick-up herumgefahren sind«, sagt Steve Gipson. »Und nun tun die Liberalen so, als sei die Fahne ein Symbol der Republikaner.«
Vom »Marsch durch Georgia« zu segregierten Blutbanken: Der amerikanische Bürgerkrieg und die Folgen
Steve Gipson ist mit seinen Ansichten nicht alleine. Der Bürgerkrieg wird im Süden weiter ausgetragen, in Büchern, in Zeitungen, im Fernsehen. Noch immer schreiben Südstaatler die Geschichte um, und viele sind den Yankees gram. Und auch die Tea Party ist zu einem guten Teil eine »Anti-Yankee«-Bewegung. Kein Wunder: In keinem Krieg sind so viele Amerikaner umgekommen wie während des
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