Techno der Jaguare
Reggae und hatte Spaß daran, jeden Abend in der Bar Reggae zu hören. Zwei Jahre lang malte sie dunkelhäutige Kariben. »Natürlich fand man auch in diesen Werken etwas Politisches«, erklärte sie. »Galerieeigentümer und auch Kunstsammler sind überwiegend Weiße. Deswegen haben sie meine Werke nur in nicht-kommerziellen Ausstellungen aufgehängt. ›Sie ist begabt‹, hieß es, aber die Thematik gefiel ihnen nicht – in Amerika herrscht Rassismus, mein Kind. Und ich, um sie zu ärgern, habe trotzdem so weitergemalt. Als Maler muss man provozieren. Vielleicht werde ich einfach nur politisiert. Eigentlich gefallen mir doch nur die Menschen, die ich neben mir sehe, und ihre Musik. Ich wende mich doch nicht gegen mich selbst!«
Die Gastgeberin stand auf, holte Käse aus dem Kühlschrank und fing an, ihn sorgfältig in dekorative Stücke zu schneiden.
»Also, bald darauf wurden meine Gemälde ausgestellt. Meine Selbstsicherheit kehrte zurück … Sogar die New York Times hat über mich berichtet, und das zeugt von Erfolg. Ich zeige dir den Artikel nachher, irgendwo habe ich ihn noch.« Mit ihren Augen suchte sie die Regale nach der New York Times -Ausgabe ab.
»Hier lebt jeder allein«, flüsterte sie plötzlich aus unerfindlichem Grund. Sie reichte ihrem Gast die Platte, auf der sie den Käse arrangiert hatte. Danach füllte sie den Whisky in den Gläsern nach. »Die Menschen hier kommen aus aller Welt und konkurrieren miteinander. Dies ist ein Land von Ledigen, an Familiengründung denkt niemand. Vielleicht ist deswegen die Frau, deren Porträt ich vor kurzem angefangen habe, allein. Auch das haben sie mit Politik in Verbindung gebracht. Früher haben eher Männer dazu tendiert, Frauenporträts zu malen. Jahrhundertelang haben sie nach ihrem Geschmack gemalt. Die Frau – als das Prachtsymbol der Schönheit wurde sie immer liegend gemalt. Heutzutage sind unter den Künstlern auch viele Frauen, und die Leute interessieren sich für das, was sie zu sagen haben. Für meine Serie von Frauenporträts habe ich lange gebraucht, weil ich mich selbst erst davon überzeugen musste, dass ich dabei ehrlicher war und das auch zeigen konnte. Das ist mir dann auch gelungen, und so habe ich in den letzten neun Jahren Frauenporträts gemalt. Mein Frauentyp hat georgische Augen und Augenbrauen.« Und dann erwärmte sich auf einmal ihr Herz, das Tempo verlangsamte sich. Der Wärme folgte eine nostalgische Abwesenheit. Der Whisky auf dem Arbeitstisch ging langsam zur Neige. Gogona hatte die ganze Flasche ausgetrunken.
» I’m working hard – das ist die Antwort eines jeden New Yorkers, wenn man ihn fragt, wie es ihm geht. Inzwischen bin ich auch schon müde geworden und sage jedem Bekannten, den ich auf der Straße treffe, dass ich es eilig habe. Ich esse fast food . Es gefällt mir zwar nicht, aber es gelingt mir einfach nicht mehr, stillzusitzen. Ich bereue es, dass ich so ein Leben führe, aber …
Früher fanden sie mich exotisch, berühmte Kritiker und Künstler nahmen mich deswegen überall mit hin. Aber so bist du immer noch nutzlos … Erst jetzt begreife ich das. Es ist was ganz anderes, wenn du dort die Schule beendest, wo auch deine Familie und Freunde sind. Hier vergehen die Jahre, bis man dich entdeckt. Sie kommen von irgendwoher, nehmen dich mit, aber nur um sich mit dir zu schmücken und zu amüsieren – man kommt schließlich aus einem exotischen Land. Dabei handeln sie aber eigentlich nur in ihrem eigenen Interesse und nicht, um dir als Immigrantin zu helfen und dich in eine Ausstellung zu bringen. Begabt oder unbegabt, man bleibt hier immer Immigrantin. Sie mögen deine Werke und amüsieren sich damit.«
Gogona saugte alles, was sie sagte, gierig auf, wusste jedoch nicht, was sie in Erinnerung behalten sollte und was nicht; was davon wichtig war und welche Fehler sie nicht machen sollte. Ihr gefiel die Geschichte, aber sie erinnerte sie eher an ein Interview mit einer Immigrantin, das sie in einer Zeitschrift gelesen hatte.
»Morgen ist Halloween«, rief die Gastgeberin plötzlich. »Komm doch mit. Meine Freunde veranstalten eine Superparty, sie bereiten alles selber vor. Sie sind Bühnenbildner und dekorieren alles mit echten Theaterrequisiten. Mein boyfriend hat da einen Auftritt.«
»Und das Outfit?«, fragte Gogona. »Was soll ich anziehen?«
Die Gastgeberin dachte nach.
»Lass uns morgen zum Secondhand-Laden gehen und was aussuchen, in Ordnung?«
» Yes. « Gogonas Gesicht strahlte.
***
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