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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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erkannt hatten. Manchmal denke ich, dass unsere Eltern viele Opfer bringen mussten, um unsere Privatlehrer mit grünen Dollars und nicht mit grauen Coupons zu bezahlen, deren Wert so vergänglich war wie Wind und Feuer.
    Es gab viele von ihnen, und alle drei Jahre wurden sie ausgewechselt. Aber eigentlich gab es nur einen! Der wahre HERO der britischen Periode unserer Erkenntnis: His Majesty Mr. Priestley .
    Heute kann ich wie ein guter Psychologe feststellen, dass sich der einzige Komfort in dieser Zeit für uns im Haus von Mr. Priestley befand. Zehn Kilometer von London entfernt, ein Haus mit Rosengarten, ruhigem Empfangszimmer und ebensolchen Tapeten und einem Design, das die Künstler heute mit viel Mühe nachzuahmen versuchen: ein Klavier, gemütliche Sessel, ein Kamin und Teppiche. Der ruhige, intellektuelle und ältliche ›Familienvater‹, der eine treue Ehefrau, eine beachtliche Gemäldesammlung und eine Bibliothek sein Eigen nannte, aß zu Mittag Pudding, Fleisch mit verschiedenen Soßen und Apfelstrudel mit Vanillesoße. Sie hatten alles, brauchten nichts, und selbst wenn irgendetwas passieren sollte, konnten sie auf ihren Schöpfer zählen. Sogar die Katze war verwöhnt. Wenn ich mich nicht irre, war da irgendwo auch ein Papagei. Und die Schüler verbrachten ihre Weihnachtsferien in Spanien oder in der Schweiz.
    Mr. Priestleys Bruder arbeitete bei einer Versicherungsgesellschaft und versicherte das auf das genaueste durchgeplante Leben der Engländer. In dieser Welt waren alle Optimisten, wir hingegen waren pessimistischer Natur, und gerade deshalb war diese Umgebung so anziehend für uns – für die chaotische georgische Gesellschaft ohne Lebensversicherung. Und mitten in dieser Welt der Oxfords, Adams und Shakespeares, gleich beim Trafalgar Square, holte mich irgendeine Frau mit einem Haufen Audiokassetten ein – eine gewisse Ilona Davidova, die mit dem Mut einer Jeanne d’Arc versuchte, die Lorbeeren für den Übergang vom britischen zum amerikanischen Englisch zu ernten. Sie wollte mir Englisch in drei Monaten beibringen. Mein Gott! Wofür die ganzen Jahre? Ilona Davidova hatte große Mühen auf sich genommen, um neue Wege im Englischunterricht zu beschreiten. Als Antipodin unseres Mr. Priestley stellte sie uns in glänzend laminierte Buchumschläge eingeschlagene und mit zahlreichen Illustrationen dargestellte Helden vor und holte so eine völlig andere Welt in unser Leben – » Headway «, » Language to go « und das tolerante Amerika. Das Eckersley war damit Vergangenheit.
    Angola, Japan, ein Interview mit Robert De Niro und Tausende weltweite Statistiken … Der Krieg fand sein Ende, und in überzeugenden Illustrationen machte sie uns mit den Regeln von Schnellrestaurants und Stehpartys bekannt. Medien, Live-Reportagen … Kontakte mit Augenzwinkern und Dialoge mit Zeigefingern, Auslandsreisen, ihre Tarife und Wechselkurse. Der Krieg war doch wirklich zu Ende?! Monumentale Mysterien, Filmbesprechungen, Legenden und von uns immer leichter gelöste Kreuzworträtsel. So begann die neue Ära, so zerbrach die große Institution der Privatlehrer. Und heute ist das Englischlernen auch für die »Älteren« einfacher, sei es British , American oder Cosmopolitan English .
    All das brachte irgendwie einen großen Optimismus in das Nachkriegs-Georgien, vor allem bei den Jugendlichen. Für sie sind jetzt neue Wege offen, Internetseiten: auffindbar – Arbeitsstellen: garantiert.
    Yes … I do!
    Inzwischen sind viele Denkmuster in Vergessenheit geraten: Der Konflikt zwischen British und American English ist heute längst erledigt. Jedermann entscheidet für sich, ob die Flasche halb leer oder halb voll ist; ob die Woche am Montag oder schon am Sonntag anfängt. Hauptsache, sie fängt an!
    ***
    Das war meine letzte Ecstasy-Pille! Am Morgen wachte ich in Meas Atelier auf, und es ging mir so mies, dass ich mich nur mit Mühe aufrichten konnte und mir sofort das Kissen über den Kopf zog. Bei der bloßen Erinnerung an den Abend vorher zuckte ich zusammen. Wie hatte ich nur auf dieser Halloweenparty, in diesem Dschungel, in Ekstase und einem Jaguar-Kostüm mein Herz diesem aus einer Baumhöhlung entsprungenen europäischen DJ öffnen können! Mein Gott! Könnte ich diesen Tag bloß vergessen!
    Ich versuchte mich zu beruhigen. Was soll’s, es kennt mich ja eh keiner. Außer meiner Gastgeberin. Und ob ich diesen Typ wiedersehe oder nicht, ist sowieso egal.
    Aber amerikanische stories gehen so nicht weiter,

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