Techno der Jaguare
eine junge Frau mit dreadlocks , die ebenfalls rauchte und jemandem von gegenüber zulächelte. Erst nach einigen Minuten wurde dieses Gegenüber für Gogona sichtbar – ein Hund im Auto, der nicht wusste, dass man die Marke des Autos kaum mehr erkennen konnte, weil es über und über bemalt war. Höchstwahrscheinlich von der amerikanischen Lady mit den dreadlocks .
Wenn dies ein richtiger Roman ist, dann mussten sich die Wege dieser beiden Frauen kreuzen.
Und tatsächlich. Sie treten gleichzeitig zu dem großen Aschenbecher, um ihre Zigaretten auszudrücken. Sie gehen gleichzeitig ins Café, nehmen gleichzeitig ihre Sachen, um zu gehen. Beide müssen lächeln. Dann gerät Gogona in Verwirrung und versucht sich zu erinnern, wohin sie gehen wollte. Die amerikanische Lady nimmt im selben Moment ihren Fotoapparat aus der Tasche.
»Darf ich Sie fotografieren?«
»J…« Aber dann erinnert sich Gogona daran, dass sie in dieser erhabenen Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten alles tun darf, außer, so lautet ihr Vertrag, sich fotografieren zu lassen.
Und dementsprechend bekommt die Lady eine Antwort, die sie nicht nur nicht erwartet hat, sondern die sie sogar vor den Kopf stößt.
»Aus vertragsrechtlichen Gründen kann ich Ihnen das leider nicht erlauben. Ich wurde von der Zeitschrift W für ein 80er-Jahre-Madonna-Shooting gebucht. Und deswegen …«
»Fuck!«, sagt die verwirrte Lady und lacht. »Sehr angenehm. Dann möchte ich Sie herzlich zu mir einladen … Und außerdem, Sie sind doch Touristin?« Ihre Stimme klingt leicht nervös.
›Bestimmt kenne ich sie aus einem früheren Leben‹, denkt Gogona und setzt sich in ein Auto, das ihr vor zehn Minuten noch völlig fremd war. Das ist Amerika. Eine Lady mit ihrem Hund in einem bemalten Auto.
In dem Atelier ihrer neuen Freundin erwartete Gogona, eine eher oberflächliche Form von Kunst vorzufinden. Etwas konzeptuell Simples. Auf jeden Fall war die Fusion von uralten Archetypen, ethnografischen Schätzen, verschiedenartigen Ikonen, kurz die Verschmelzung alles dessen mit radikalem Modernismus absolut unerwartet für sie.
»Fühl dich wie zu Hause«, rief die neue Freundin Gogona zu, die in dem überfüllten Zimmer etwas verloren wirkte. Sie hatte es sich in einem Sessel bequem gemacht und streichelte den Hund.
»Wie hast du so viele Sachen sammeln können?«
»Ich lebe damit, das sind meine Spielzeuge«, sagte sie und gackerte wie verrückt.
Gogona blickte verstohlen in die Tasche der Gastgeberin, die vor ihren Füßen lag. Unter all den Kabeln und Haargummis, CDs, Kugelschreibern, Lippenstiften und Schreibblöcken blinkte irgendetwas hervor. Wie sich herausstellte, war es das Handy.
» Ee, rogora xar? Momenatre! 1 …«, meldete sich die Amerikanerin zärtlich.
Gogona stand auf. Zuerst ging sie langsam auf das Fenster zu, wie eine Protagonistin in einem Tschechow-Stück, und drehte sich grazil um. Als die Gastgeberin nach dem Gespräch ihr Handy auf den Sessel warf, krönte Gogona das mit ihrem triumphierenden Kommentar: »Wir kommen also aus demselben Land?«
Die Gastgeberin nickte schüchtern. Dann gackerte sie wieder los wie eine Verrückte. Sie setzten sich.
Natürlich hatte sie Georgien 1988 verlassen, als die Perestroika begann. Sie hatte einen Amerikaner geheiratet und war zuerst zur Familie ihres Mannes nach Chicago gezogen.
»In Chicago mochte man den altertümlichen Anstrich meiner Werke, ich protestierte aber dagegen. Das, wofür sie mich lobten, verkehrte ich ins Gegenteil. Sie verglichen meine Werke mit der niederländischen und flämischen Malerei. Zwei Jahre lang habe ich so gemalt. Eigentlich bin ich apolitisch. Mein Thema und meine Personen sind antiintellektuell. Aber nichtsdestotrotz sah man etwas politisch Angehauchtes in meinen Werken. Ständig reden sie davon … Obwohl dabei nur Getratsche zum Vorschein kommt. Du verstehst, was ich meine, oder? Im Unterschied zu konzeptuellen Malern, die nur von einer Idee ausgehen, hat meine Inspiration ihren Ursprung in primitiven Emotionen und rohen Impulsen, in der Nostalgie.«
Die Gastgeberin geriet nun langsam in Fahrt. Vor allem, weil sie jetzt auf New York zu sprechen kam.
Dort hatte sie eine ganz andere Situation vorgefunden. Malerei war in New York nicht anerkannt, sie galt als altmodisch. Die Erfolge von Chicago bedeuteten hier nichts mehr, in New York musste sie wieder von vorn beginnen. Nun malte sie hauptsächlich Kariben, weil sie deren Musik liebte – sie stand auf
Weitere Kostenlose Bücher