Techno der Jaguare
saß fest. Sie zuckte nur mit den Schultern. Dann legte sie ein leichtes Make-up auf und überlegte, wie sie sich nun frisieren sollte. Das frisch hervorgesprossene Buch ging ihr, ehrlich gesagt, schon ein wenig auf die Nerven. Heute passte ihr das ganz und gar nicht. Ausgerechnet heute … aber auch nicht morgen, auch nicht gestern. ›Wie sieht das denn aus? Was soll ich bloß damit machen?‹, dachte sie.
Sie kämmte die Blätter nach links. Mehr Blätter auf der einen Seite, auf der anderen weniger. Das stand ihr gut. Ihre Laune stieg wieder, und sie betrachtete ihr Spiegelbild von allen Seiten.
Auf ihrem Nacken entdeckte sie ein weiteres kleines Buch.
Prüfend betrachtete sie sich im Profil. Wenn sie das kleine Buch offen trug, sah es verwuschelt aus. Darum klappte sie es sorgfältig zu und schob es mit einer anmutigen Bewegung ein wenig den Hinterkopf hinauf.
»Fertig!« Sie war zufrieden.
Mit gemischten Gefühlen verließ sie das Haus: ›Wer weiß, wie die Leute darauf reagieren … Was sie wohl sagen werden?‹
›Vermutlich ist das jetzt der letzte Schrei‹, mutmaßte die Verkäuferin, als sie ihren Kopf sah, und überreichte ihr die hübsch verpackten Einkäufe mit Respekt.
Auf dem Rückweg sahen ihr ein paar gewohnheitsmäßige Gaffer hinterher. Ganz ohne böse Absicht, nur eben neugierig. Sie bekam sogar Komplimente wegen ihrer neuen Kreation.
Ihr fiel ein Stein vom Herzen.
Auch das Frühstück ließ alles noch einmal rosiger erscheinen. ›Das wird doch noch ein schöner Tag‹, sagte sie sich. Nichts fürchtete sie mehr als ein graues Dasein. Mit aller Kraft krallte sie sich an ihrem außergewöhnlichen Erscheinungsbild fest. Sie klammerte sich ebenso daran wie an alles Gewohnte.
Der gewohnte Liebhaber rief an, aufgeregt hechelnd. Er sabberte vor Lust. »Schnell, ich habe eine halbe Stunde frei, in fünf Minuten bin ich bei dir und kann zwanzig Minuten bleiben. Dann muss ich wieder weg.« Atemlos fuhr er fort: »Und heute Abend steigt eine grandiose Party, echt lebenswichtig, da müssen wir einfach hin! Springbrunnen und Feuerwerk, ein Riesen-Tamtam, ganz nach deinem Geschmack. Die Location schlechthin! Wirf dich in Schale, da ist cooles Outfit angesagt, Mensch!«
Die Nachbarin kam vorbei – »Hast du zufällig einen Löffel Kaffee zu Hause?« – und zündete sich gemächlich eine Zigarette an.
»Wow, krass! Wo hast du das denn her?« Sie deutete auf das Buch.
»Aus einem Antiquariat.« Tino drehte ihr den Nacken zu, um ihr einen genaueren Blick auf das Buch zu ermöglichen. »Kannst du mir sagen, was drinsteht?«
»Komm, zeig mal her …« Gleichgültig blätterte die Nachbarin die Seiten durch. Sie gehörte zu den Menschen, die ein Buch in erster Linie nach seinem Cover beurteilten.
Mit klopfendem Herzen wartete unser Buchköpfchen auf die Antwort, sie wartete ebenso sehnsüchtig darauf wie auf einen Anruf des Geliebten im grauen Alltag, wie auf das Verschwinden der Nachbarin vor dem Erscheinen des Geliebten.
»Da steht gar nichts.« Die Entwicklungsperspektive der Unterhaltung schrumpfte auf null.
»Wie, nichts? Überhaupt nichts?« Tino bekam es mit der Angst zu tun – und wie!
»Überhaupt nichts.«
»Aha …« Jetzt wünschte sie sich umso mehr, dass die Nachbarin endlich ginge.
Der Kaffee in den Tassen dümpelte fade, halb ausgetrunken.
Die Nachbarin spürte Tinos Gereiztheit. Irritiert stand sie auf, um sich zu verabschieden.
»Das Cover ist echt stark …«, versuchte sie ihre Taktlosigkeit zu überspielen.
»Mit einem Softcover würde ich mich auch gar nicht erst abgeben!«, erwiderte Tino schnippisch.
Die Nachbarin verschwand.
Tino zog sich schnell noch um, bevor ihr Liebhaber kam. Sie schlüpfte in ein Kleid, das er ihr geschenkt hatte, und bemerkte, dass sich die Bücher der Farbe des Kleides anpassten.
Das Kleid – feuerrotes Tuch – lud zum Ausziehen ein. Begeistert ging ihr Liebhaber darauf los wie ein Stier und spießte Tino auf die Hörner, die er seiner Frau aufsetzte.
Danach hechelte er wie ein Hund und entdeckte nun auch das Buch auf Tinos Kopf, aber er wollte seine Atlasschulter, auf der bereits die gesamte Geschäftswelt ruhte, nicht noch zusätzlich belasten.
»Kannst du mir sagen, was da drinsteht?« Tino schmiegte sich an ihren Liebhaber, der wie durch Herakles’ List der Geschäftswelt entrückt schien, und raschelte vor seiner Nase mit den Seiten des Buches.
»Ich hab doch gesagt, du siehst toll aus«, brummte er.
»Aber was steht
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