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Teckla

Teckla

Titel: Teckla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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überlegt, wenn ich geschnappt werde, sollte er so tun, als würde er mich verprügeln, als wäre es meine eigene Idee gewesen. Als ich dann wirklich erwischt worden bin, hat er mehr als nur so getan.«
    »Verstehe. Hast du erzählt, was wirklich passiert war?«
    »Nein. Ich war gerade mal zehn und zu sehr damit beschäftigt zu heulen und zu schreien, daß ich nie wieder klauen würde und es mir leid tat und alles, was ich sonst sagen konnte.«
    Der Kellner kam mit noch mehr Klava. Ich ließ ihn erstmal stehen, nach meinen Erfahrungen vom letzten Mal.
    »Was ist dann passiert?« wollte ich wissen.
    Sie zuckte die Achseln. »Ich habe nie wieder geklaut. Wir sind in ein anderes Gasthaus, und ich wollte nichts klauen, also hat mein Vater mich nach draußen gezerrt und wieder verprügelt. Ich bin weggerannt und habe ihn seitdem nicht mehr gesehen.«
    »Du warst wie alt, hast du gesagt?«
    »Zehn.«
    »Hmmm. Wovon hast du gelebt, wenn ich fragen darf?«
    »Weil ich nichts anderes kannte als Gasthäuser, bin ich in eins gelaufen und habe gefragt, ob ich für ein Essen den Boden fegen dürfte. Der Besitzer hat ja gesagt, also habe ich das eine Zeitlang getan. Am Anfang war ich zu dürr, als daß ich Ärger mit den Gästen haben würde, aber später mußte ich mich abends verstecken. Ich mußte für Öl bezahlen, also habe ich im Dunkeln in meinem Zimmer gehockt, unter ganz vielen Decken. Aber das war mir eigentlich egal. Daß ich ein eigenes Zimmer hatte, war so schön, daß mir Licht oder Wärme gar nicht fehlten.
    Als der Besitzer starb, war ich zwölf, und seine Witwe ist gewissermaßen an mir hängengeblieben. Sie hat mir auch nichts mehr für das Öl berechnet. Das war nett. Aber ich glaube, das größte, was sie für mich getan hat, war, mir das Lesen beizubringen. Von da ab habe ich die ganze Zeit nur noch gelesen, meistens die gleichen acht oder neun Bücher wieder und wieder. Ich weiß noch, da war eins, das habe ich nicht verstanden, egal, wie oft ich es gelesen habe, und eins mit Märchen, und eins war ein Theaterstück, irgendwas über einen Schiffbrüchigen. Und in einem ging es nur darum, welche Feldfrüchte man wo mit den besten Ergebnissen anbauen kann oder so. Selbst das habe ich gelesen, was beweisen sollte, wie verzweifelt ich war. Ich bin abends trotzdem nicht in den Schankraum gegangen, und sonst konnte ich nichts machen.«
    Ich sagte: »So sah es also aus bei dir, dann kam Kelly vorbei und hat dein Leben verändert und dir dies gezeigt und das und jenes, richtig?«
    Sie lächelte. »So ähnlich. Ich habe ihn immer an der Ecke stehen und Zeitungen verkaufen sehen, als ich meine Botengänge machte. Aber eines Tages, völlig aus dem Nichts, wurde mir klar, daß ich eine kaufen könnte und dann was Neues zu lesen hätte. Von einer Buchhandlung hatte ich noch nie gehört. Ich glaube, Kelly war damals so um die zwanzig.
    Im folgenden Jahr habe ich jede Woche eine Zeitung gekauft und bin gleich weggerannt, bevor er mit mir reden konnte. Ich hatte keine Ahnung, um was es in der Zeitung ging, aber sie gefiel mir. Nach ungefähr einem Jahr sickerte es allmählich ein, und ich dachte darüber nach, was in der Zeitung stand und was das mit mir zu tun hatte. Ich weiß noch, wie es mich völlig schockierte, als mir klar wurde, daß da irgendwie irgendwas falsch lief, wenn ein zehn Jahre altes Kind in Gasthäusern stehlen mußte.«
    »Das stimmt«, warf ich ein. »Mit zehn Jahren müßte man schon auf der Straße stehlen können.«
    »Hör auf«, blaffte sie, und ich mußte gestehen, daß sie wahrscheinlich recht hatte, also murmelte ich eine Entschuldigung und sagte: »Wie dem auch sei, dann hast du dich also dazu entschieden, die Welt zu retten.«
    Ich nehme an, die Jahre haben ihr ein bißchen Geduld beigebracht, denn sie funkelte mich nicht wütend an, wie Paresh es getan hätte, oder verschloß sich, wie Cawti es getan hätte. Sie schüttelte nur den Kopf und sagte: »Es ist nie so einfach. Ich habe natürlich angefangen, mich mit Kelly zu unterhalten, und wir haben gestritten. Erst später ist mir aufgegangen, daß ich nur deshalb immer wieder zu ihm lief, weil er der einzige war, der mir zuhörte und mich anscheinend ernst nahm. Ich glaube nicht, daß ich je etwas unternommen hätte, aber in jenem Jahr kam die Tavernensteuer.«
    Ich nickte. Das war vor meiner Zeit gewesen, aber ich wußte noch genau, wie mein Vater darüber in diesem eigenartigen gedämpften Tonfall gesprochen hatte, den er immer dann

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