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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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Anblick gewesen, hatte die alte Loibl doch so einige Mühe mit dem Sterben gehabt. Es zwickte und zwackte etwas in ihrem Bauch, aber dank der Kamille war es nicht allzu schlimm. Als es schließlich vorbei war, lag sie fast schon lächelnd in ihrem Bett.
     
    Fürsorglich nahm Esther Friedrichsen der Loibl die Tasse ab, schüttete den Rest in das Waschbecken, wusch sie sorgfältig aus und verstaute diese in der Tasche ihres fliederfarbenen Morgenrocks. Danach verabschiedete sie sich von der Loibl und versprach ihr, regelmäßig auf ihrem Grab Blumen abzulegen. Jeden Montag. Außer im Winter, da wuchsen bekanntlich keine Blumen auf der Wiese, aber ein Lichtlein würde sie immer anzünden.
     
    Gemächlichen Schrittes trat Esther Friedrichsen auf den Gang hinaus und machte sich auf den Weg in ihr Zimmer, um ihrer wohlverdienten Nachtruhe nachzukommen. 
     
     
     
     

8
     
     
    Mit der Loibl war nun auch die letzte Seniorin verstorben, die Balthasar Sebastian Rohrasch vom Stulp übernommen hatten. Nachdenklich legte er seinen Kopf auf seine Schreibtischplatte und starrte einfach vor sich hin. Es würde zwar keine Auswirkungen auf seine Todesstatistik haben, dennoch wurmte es ihn gewaltig, sie verloren zu haben. Mit dem Sterben hätte sie sich ruhig noch zwei Monate Zeit lassen können, dachte er verdrossen, dann hätte ihre Verweildauer mit zehn Jahren zu der längsten gezählt. Sie hatte außer ihrem vorzeigbarem Alter nichts, weswegen man sterben musste. Über ihr plötzliches Dahinscheiden war er also mehr als überrascht.
    Ruckartig richtete er sich wieder auf. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und ruckelte seine Brille wieder in Position. Angestrengtes Nachdenken brachte ihn immer zum Schwitzen. Grüblerisch starrte er auf seinen Bildschirm. Klickte hier und klickte da, doch der Algorithmus seines Computerprogramms lieferte keinerlei Hinweise darauf, dass er mit so etwas hätte rechnen müssen. Aber irgendwo in seinem Programm musste ein Fehler liegen, da war er sich sicher.
    Denk nach Rohrasch, denk nach! , ermunterte er sich selbst. Einige Mausklicks später hatte er auf dem Bildschirm, was er gesucht hatte. Die Gesundheitsberichte seiner Leutchen waren bei einigen doch sehr veraltet. Bei der Loibl war der werte Herr Doktor vor vier Wochen das letzte Mal gewesen. Sicher, Margot, die Stationsschwester hatte täglich Puls und Blutdruck gemessen, aber das war ganz offensichtlich nicht ausreichend genug gewesen.
    Ein kurzes Gespräch mit dem Arzt, und schon war seine Idee beschlossene Sache: Balthasar Sebastian Rohrasch brauchte ganz dringend einen aktuellen Gesundheitsbericht aller seiner Bewohner. Mal sehen, was sein Algorithmus über den einen oder anderen so ausspuckte!
    Er ordnete einen allgemeinen gesundheitlichen Vorsorgecheck an. Ab sofort sollten die Tage im Zeichen Konstitution im Alter stehen. Ungeachtet, das Wochenende war, bekam jeder der Senioren seinen Termin genannt.
    Esthers Termin fiel jedoch auf den Montag, genau auf den Zeitpunkt, als das Frühstück anstand, was ungemein irritierend war. Da sie nur ungern von ihrem geregelten Leben abwich, störte es sie, dass sie dadurch ihre zwei mit Aprikosenmarmelade bestrichenen Semmeln verspätet genießen musste. Jeden Morgen aß Esther Friedrichsen diese, immer um dieselbe Uhrzeit. Sie hatte doch noch nie ein Frühstück, den Mittagstisch oder das Abendessen versäumt. Und das hatte sie vor, auch weiterhin so beizubehalten.
    Außerdem musste sie montags auch zu den Gräbern. Ihr ganzer Zeitplan wurde durch Rohraschs Übereifer durcheinandergebracht. Um bis zum Mittagessen ihre Termine erledigt zu haben, müsste sie sich schon sehr sputen. Ob sie das schaffen würde?
    Sie beschloss, das Büro vom Rohrasch aufzusuchen. Er musste einsehen, dass er nicht so einfach in ihren Tagesplan eingreifen konnte. Schließlich machte sie Pläne dafür, um sich daran zu halten. Ansonsten bräuchte sie doch keinen Plan und würde ins Geratewohl in den Tag hineinleben, was ihr aber schon rein gedanklich, missfiel.
     
     
    ****
     
     
    Energisch klopfte es an Rohraschs Tür, was er jedoch nur im Hintergrund seiner Konzentration auf seinen Bildschirm mitbekam. Gedankenversunken rief er: „Herein!“, ohne sich jedoch der eintretenden Person zuzuwenden. Die ersten Arztberichte mussten schnellstmöglich in die Statistik eingepflegt werden.
    Bei Frau Winter im ersten Stock ließ ihn ein kleines Blasenproblem die Stirn runzeln. Wenn hier nicht sorgfältig darauf

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