Tee und Toast
Kilometern lange Reise schon allein deswegen wert
gewesen, uns beide in dem Tümpel sitzen zu sehen. Auch er hatte sich nicht
verändert.
Auf unserem Weg nach Hause
erzählte ich ihm sofort alles über unsere Rettungsaktion für Onkel Richard, und
er erklärte sich auf der Stelle bereit, sich auf unsere Seite zu schlagen.
»Obwohl ich glaube, daß es verlorene Liebesmüh’ sein wird«, meinte er. »Wenn
sich ein Knabe in dem Alter in etwas Zwanzigjähriges verliebt, ist es meistens
bitterster Ernst .«
Ich fragte mich, warum er nicht
inzwischen »Ernst« gemacht hatte. Er mußte schon an die Fünfunddreißig sein und
viele attraktive Frauen kennengelernt haben. Julian verwaltete in England den
Besitz seines Vaters, was ihn aber zeitlich nicht so in Anspruch nahm, daß er
sich nicht häufige Jagden, Skiausflüge und gelegentlich eine Woche Urlaub an
der Riviera leisten konnte. Er hatte ein sehr schönes Leben. Aber
offensichtlich schien er gegen weiblichen Charme immun zu sein, und das war ein
Jammer, denn er würde einen phantastischen Ehemann abgeben.
Larry hatte ihre
unaussprechlich schmutzigen Kleider auf den Rasen hinter dem Haus geworfen und
sich ins Badezimmer zurückgezogen, als wir ankamen. Kurz darauf erschien sie
mit nassen Haaren und ohne Make-up, kochte Tee, und wir setzten uns erst einmal
gemütlich zusammen. Die Kinder tobten in einem Schuppen herum, was Mick, der in
einer Ecke lag und schlief, nicht im geringsten zu stören schien, und somit
hatten wir hier im Hause unsere Ruhe.
»Tee und Toast, Julian«, sagte
Larry lächelnd und griff zur Kanne. »Mehr bekommst du heutzutage nicht mehr
hier. Ich finde, daß Kuchenbacken reine Zeitverschwendung ist .«
Larry ist eine ausgezeichnete
Köchin, aber sie hatte sich noch nie damit abgegeben, wie unsere Nachbarinnen
kunstvolle Kuchen zu fabrizieren. Seit kurzem lehnte sie es ab, auch nur den
einfachsten Hefekranz zu backen. Sie sprach davon, eine Toastmode zu lancieren,
doch bisher war diese neue Form von Gastlichkeit noch nicht über unseren Kreis
hinausgedrungen.
»Ich finde eben«, meinte sie
mit schulmeisterlichem Gesicht, »daß man immer seinem Alter entsprechend leben
sollte. Ein Kuchen ist wie ein junger, lustiger, frivoler Mensch. Doch wenn er eine
gewisse Reife erzielt hat, fühlt man sich mehr zu seriösen Dingen und Toast
hingezogen. Man lernt ruhige, vernünftige Leute schätzen und weiß, daß
vernünftige Nahrung wie Toast...«
Welche weiteren Toastvorteile
und — tugenden sie noch zum besten geben wollte, weiß ich nicht, denn in dem Augenblick tönte von draußen eine
Hupe, die einen sonderbar heulenden, zweistimmigen Klang hatte.
»Onkel Richard«, rief Larry.
»Ich kenne seine Hupe. Und Gloria. Verflixt, unser Plan ist noch nicht richtig
ausgearbeitet .«
Auch die Kinder hatten die Hupe
gehört und kamen aus dem Schuppen gestürzt. Jetzt standen sie beim Anblick
Glorias, die von Onkel Richard gestützt den Pfad heraufgehumpelt kam, wie
erstarrt da und sperrten erstaunt ihre kleinen Mäulchen auf. Ich schämte mich
etwas für ihre sprachlose Neugierde, aber Larry sagte nur leichthin: »Hallo,
ihr zwei. Kümmert euch nicht um unsere Kinder. Sie haben noch nie in ihrem
Leben Krücken gesehen. Was für eine Überraschung, Onkel Richard. Warum hast du
mir denn nicht geschrieben, daß ihr kommt ?«
Er strahlte sie an. »Wozu denn?
Ich sagte zu meiner kleinen Gloria, daß Larry immer auf Gäste eingestellt sei,
und schwärmte von deinen Butterhörnchen, die einem im Mund zergehen. Warte nur,
sagte ich, du wirst schon sehen, was sie uns anbieten wird .«
Was Larry dazu veranlaßte,
nochmals einen langen Vortrag über Toast zu halten.
Wir standen noch auf der
Veranda, als plötzlich ein feindseliges Gesicht hinter einem Hortensienstrauch
auftauchte. Mick hat die Ankunft seiner Feindin nicht verschlafen. Zuerst
herrschte peinliches Schweigen. »Bitte, Larry«, sagte Mr. O’Neill schließlich,
»würdest du Gloria in ihr Zimmer bringen, ich möchte einen Moment mit dem alten
Mick sprechen .«
Aber es war zu spät. Mick war
bereits geflohen. Wir konnten seine gebeugte, alte Gestalt über den Rasen auf
den Schuppen zulaufen sehen. Hinter ihm drein die Kinder. Christopher an der
Spitze, dann Christina, dann Prudence, die mühsam, aber aufrecht vor sich
hinstolperte und schließlich auf allen vieren Mark, als Schlußlicht sozusagen.
»Die Kinder lieben Mick«, sagte ich und merkte, daß meine Stimme etwas
vorwurfsvoll klang. Gloria
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