Tee und Toast
Familienmitglied
betrachten, und damit hätte sich Gloria abfinden müssen. Jetzt allerdings fiel
der letzte Hauch von Höflichkeit und Dankbarkeit von ihr ab. Sie saß zwischen
zwei Stühlen, war unglücklich und hielt es außerdem nicht mehr für nötig, sich
bei Larry lieb Kind zu machen, da sie sich gar nicht mehr so sicher war, ob
Onkel Richard wirklich eine so gute Lösung bedeutete. Es gab immerhin noch
Vivian Ward.
Es gibt Momente, wo sich Larry
vorbildlich benehmen kann und es auch tut. Sie errötete leicht und
entschuldigte sich: »Arme Gloria«, sagte sie freundlich. »Schade um das schöne
Kleid. Das tut mir wirklich leid .«
Gloria blieb eine Antwort
schuldig. Ich glaube, sie war zu verärgert, um ihren eigenen Worten trauen zu
können, und außerdem war sie sicherlich über ihren Wutausbruch selbst
erschrocken. Ich war heilfroh, als das Boot im nächsten Augenblick auf den Sand
auflief und Sam mit der betonten Herzlichkeit eines Mannes, dem es peinlich
ist, wenn Frauen streiten, sagte: »So, da sind wir. Sicher gelandet. Soll ich
euch an Land tragen? Kommen Sie, Gloria, Sie sind ein Federgewicht .«
Aber wir anderen hatten bereits
unsere Sandalen ausgezogen und wateten vorsichtig an den Strand, während Gloria
von dem heroischen Sam auf trockenen Boden gesetzt wurde.
Er ruderte sofort wieder zurück
zum Motorboot, denn durch Rex hatten wir etwas Zeit verloren, und Kiri
betrachtete ängstlich das Wasser, das sich bereits langsam zurückzuziehen
begann. Er wollte vor Ebbe noch seine Fracht im Dorf abladen.
Schon nach kurzer Zeit hatten
wir alles an Land, und der eben noch so stille und verlassene Strand sah aus,
als habe ein recht zweitrangiger Dampfer seine Schiffbrüchigen und deren
jämmerliche Habe hier angespült. Überall lagen Bündel, Zeltbahnen, Windblusen,
Kinderschuhe, Pappschachteln und, weiß der Teufel, was noch alles herum.
Es war mittlerweile elf Uhr und
ziemlich heiß. Der Sand glühte, und wir mußten die Kinder, deren Schuhe wir auf
einmal nicht mehr finden konnten, auf das Gras tragen, wo sie den Männern beim
Aufbauen der Zelte im Weg standen.
»Bevor das Küchenzelt nicht
steht«, sagte Larry, »können wir sowieso nichts tun. Kommt, machen wir Feuer
und kochen Tee. Und anschließend gehen wir schwimmen .«
Die Männer unterbrachen ihre
Arbeit gern für eine Tasse Tee, aber als wir vorschlugen, sie sollten mit uns
ins Wasser gehen, wurden sie alle plötzlich wieder unheimlich geschäftig und hatten
nur noch Augen für ihren Zeltplatz.
»Ihr seid ja alle Feiglinge«,
rief Larry vorwurfsvoll. »Nehmt euch ein Beispiel an Rex. Der ist nicht
wasserscheu !«
»Das nicht«, entgegnete Julian
gelassen und war ganz damit beschäftigt, einen Pflock in den Boden zu rammen,
»aber schwachsinnig .«
»Richtig«, stimmte Sam zu und
band einen sehr fachmännischen Knoten. »Er scheint ohne Hirn auf die Welt
gekommen zu sein. Wenn einer meiner Schäferhunde...«
»Deine Schäferhunde sind wie
ihr Herr, also wasserscheu«, schnitt ihm Larry das Wort ab und verschwand mit
Christina im Busch. Kurz darauf tauchte sie in ihrem schäbigen, alten Badeanzug
wieder auf, der ihr wie alles blendend stand.
Auch Lydia und ich waren nicht
nach der letzten Bademode gekleidet. Alison hatte einen neueren Badeanzug, ganz
aus Nylon, der aber sehr schlicht und einfach gemacht war. Gloria war natürlich
der Star. Sie war in den knappsten und engsten, seidig blauschillernden
Badeanzug gezwängt, den ich jemals gesehen habe, der ihr aber — das mußte der Neid
ihr lassen — ausgezeichnet stand. Wie konnte es auch anders sein: Onkel Richard
rannte nach seinem Fotoapparat und machte von uns allen unzählige Bilder. Dabei
kam eine äußerst erfolgreiche Aufnahme von mir heraus, denn als ich sie meiner
Mutter schickte, schrieb sie mir zurück, sie sei froh, daß ich nicht dicker
geworden sei, und sende mir mit gleicher Post einen funkelnagelneuen Badeanzug.
Larry und ich schwammen zwar
recht gut, aber es war nichts verglichen mit Alison. Gloria war ziemlich
ängstlich und vertraute mir an, daß sie in England wenig Gelegenheit gehabt
habe zu baden, und ob ich mich nicht vielleicht ein wenig um sie kümmern
könnte? Ich tat es sehr gern, denn mein Gewissen begann mich schon wieder zu
plagen. Wir waren ein derart starker Anti-Gloria-Verein, und das war nicht ganz
fair. Lydia kümmerte sich rührend um die Kinder, versuchte ihnen Kraulen
beizubringen, und plötzlich war jeder glücklich und erfrischt — außer
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