Teeblätter und Taschendiebe
ein paar Bartstoppeln nicht aus der Ruhe bringen. »Das ist nämlich die einzige Methode,
sich ohne Schaum zu rasieren. Es sei denn, man hat nichts dagegen, sich die Haut abzuschaben.«
»Theoretisch richtig, Brooks«, sagte Max. »Aber wo soll er den Elektrorasierer einstöpseln? Da es auf der Straße keine Steckdosen gibt, könnte man daraus schließen, daß er seine Nächte nicht unter freiem Himmel verbringt, auch wenn er noch so sehr danach aussieht. In einem Männerheim gäbe es zwar die Möglichkeit, sich frisch zu machen und zu rasieren, aber dann würde er sich auch waschen müssen. Ergo - dieses schöne Wort wollte ich immer schon mal irgendwann einflechten - muß er auch irgendwo ein eigenes Zimmer haben. Vielleicht hat Loveday die Adresse.«
»Höchstwahrscheinlich«, sagte Porter-Smith. »Die Personalakten fasse ich nicht an. Das ist Lovedays Reich, da läßt er keinen ran, und mich kann er ohnehin nicht mehr leiden, seit ich seine Art der Buchhaltung kritisiert habe. Wie kommt es, daß Sie Ted Ashe kennen, wenn ich mir die Frage erlauben darf?«
»Eigentlich kennen wir ihn gar nicht«, sagte Sarah. »Es ist nur so, daß sein Name plötzlich überall auftaucht. Cousin Dolph hat beispielsweise überlegt, ob er Ashe nicht bei unserer Auktion am Samstag abend einsetzen soll. Sie kommen doch sicher auch, nicht?«
»Das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen. Mrs. Dolph hat mich gebeten zu protokollieren. Meine Verlobte freut sich schon auf den Abend. Jennifer hofft, einiges für unser zukünftiges Heim zu ersteigern, was wirklich Aufmerksamkeit erregt.«
»Davon gibt es mehr als genug«, sagte Sarah und dachte an die Seetangsprüche.
Einige der anderen Pensionsgäste sahen ebenfalls interessiert aus, und einer wirkte sogar ausgesprochen beleidigt, so daß Sarah eine allgemeine Einladung für angebracht hielt. »Es war eine ganz spontane Idee. Die Veranstaltung ist zwar privat, aber selbstverständlich sind Sie und Ihre Freunde herzlich eingeladen.«
Max' Lippen zuckten kaum merklich, und Sarah wußte genau, was ihn so erheiterte. Am Nachmittag hatten sie und Theonia weit über hundert Einladungen verschickt. Tante Emma hatte sicher inzwischen einen ganzen Bus voll Besucher zusammengetrommelt. Marcia Whet würde mit einer Gruppe im Schlepptau erscheinen, Tante Appie und einige andere zweifellos ebenfalls. Was sollten sie machen, wenn alle geladenen Gäste nun tatsächlich kamen und noch weitere Personen mitbrachten? Sie tat sicher besser daran, ihren Einladungsdrang zu zügeln und stattdessen für eine milde Vollmondnacht zu beten, damit die Versteigerung draußen auf dem Rasen stattfinden konnte, falls das Haus bei dem Massenandrang aus allen Nähten platzte.
Die alte Tradition und Sitte verlangte, daß die Pensionswirtin nach dem Abendessen eine halbe Stunde mit den Gästen in der Bibliothek verbrachte und diejenigen, die sich entschieden hatten, ihr Gesellschaft zu leisten, mit Kaffee und Plaudereien unterhielt. Eugene Porter-Smith entschuldigte sich als erster. Höchstwahrscheinlich sei dies sein letzter Abend mit dem Soll und Haben des Recycling Centers, teilte er ihnen mit, da er und seine Zukünftige sich in Bälde ernsteren Problemen zuwenden müßten, beispielsweise der schwierigen Wahl der Eheringe. Nachdem die obligatorische halbe Stunde verstrichen war, erhob sich auch Brooks.
»Ich bringe das Tablett in die Küche. Charles steht heute abend nämlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten.«
Einen Butler zu haben, der gleichzeitig Schauspieler war, wenn auch zum Glück für die Kelling-Pension kein sonderlich erfolgreicher, verlieh dem Ambiente zwar zusätzliches Flair, konnte jedoch gelegentlich dazu führen, daß der sonst so reibungslose Ablauf empfindlich gestört wurde. »Wie schade«, sagte Sarah. »Kann ich euch beim Aufräumen helfen?«
»Das ist wirklich nicht nötig. Charles bleibt bestimmt nicht lange weg. Er wird bereits mitten im ersten Akt erdolcht. Am besten, Ihr geht mit Theonia nach oben. Ich komme in ein paar Minuten nach.«
Als Sarah noch Pensionswirtin gewesen war, hatte sie das Boudoir ihrer verstorbenen Schwiegermutter in ein kleines Wohnzimmer für sich selbst verwandelt. Brooks hatte zwar Sarahs Bilder, eine Teegesellschaft von Philip Haie und eine Porträtzeichnung von Charlotte Lamson, durch zwei Drucke der Audubon Gesellschaft zum Schutz der Vogelwelt ersetzt, und Theonias Nähzeug hatte inzwischen den Platz von Sarahs Zeichenutensilien eingenommen, doch
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