Teeblätter und Taschendiebe
und für sie einzuspringen?
Max, der ans Telefon gegangen war, weil er angenommen hatte, es sei Pepe Ginsberg, sagte, in diesem Notfall würden sie selbstverständlich liebend gern aushelfen. Er würde allerdings davon absehen, im Smoking zu erscheinen. Doch das erwartete Theonia gar nicht. Seinen Smoking hatte er nicht einmal getragen, als er noch Sarahs Pensionsgast war, obwohl sich die meisten anderen Gäste immer in Schale geworfen und es gelegentlich sogar reichlich übertrieben hatten. Einer seiner Londoner Anzüge und ein weißes Hemd mit einer diskreten Seidenkrawatte wären genau richtig.
Sarah freute sich, endlich wieder einmal Gelegenheit zu haben, ihre geflochtene Goldkette mit den kleinen Diamanten und den bodenlangen Chiffonkaftan in Pflaumenblau- und Pinktönen tragen zu können. Er würde Theonia gefallen und erlaubte Sarah, ihre geschundenen Füße in bequemen Pantoffeln spazierenzuführen, denn unter dem Kleid konnte ohnehin niemand sehen, welche Schuhe sie trug. Eine Stunde später hatte sie das Vergnügen, sich in ihrem eigenen Speisezimmer als willkommener Gast begrüßen zu lassen.
Der Raum hatte sich kaum verändert, seit Sarah hier während ihrer kurzen Witwenschaft als Pensionswirtin aufgetreten war, doch von den ursprünglichen Pensionsgästen waren nur Theonia und Eugene Porter-Smith übrig geblieben. Bald würde auch Eugene nicht mehr da sein. Er war vor kurzem befördert worden und bekleidete nun in Cousin Percy Kellings Steuerberaterbüro einen höchst angesehenen und finanziell einträglichen Posten. Inzwischen zog er sich weniger exzentrisch an und wirkte äußerst gepflegt, wie es sich für einen Herrn mit wichtiger Mission ziemte. Statt in seiner Freizeit in den Cafes in der Charles Street herumzulungern, hatte er im SCRC viele Stunden damit verbracht, ein verbessertes Programm für Dolphs Steuern auszutüfteln.
Jetzt war er bereit, seinen eigenen Hausstand zu gründen, und teilte ihnen vertraulich mit, daß Mr. und Mrs. Bittersohn und Mr. und Mrs. Brooks Kelling schon bald mit einer Einladung für seine höchstwahrscheinlich sensationelle Hochzeitsfeier rechnen durften. Die zukünftige Braut war allerdings nicht jene Miss Jennifer LaValliere, die einst in diesem Raum sein romantisches Interesse geweckt hatte - sie hatte sich schon seit geraumer Zeit mit einem anderen vermählt -, sondern eine andere Jennifer, deren Vater so viel Geld als Immobilienmakler verdiente, daß Eugene sich jede weitere Er-klärung sparen konnte. Miss Wilton-Rugge hatte am Babson Institute ihr Diplom gemacht und teilte voll und ganz die Begeisterung ihres zukünftigen Bräutigams für leidenschaftliche, ausdauernde, prickelnde Buchprüfungen.
»Dann werden Sie also nicht mehr ehrenamtlich für das SCRC tätig sein?« erkundigte sich Sarah.
»Das hätte ich wahrscheinlich ohnehin nicht mehr getan«, teilte er ihr mit. »Ich versuche lediglich, ein einfaches, praktisches Buchhaltungssystem für das Center zu entwickeln. Es ist eine interessante Aufgabe, wissen Sie, bei so vielen Mitgliedern, die so viele unterschiedliche Arten von recycelbaren Wertstoffen sammeln, verschiedenen Recyclingfirmen, mit denen sie zusammenarbeiten und dergleichen. Aber wenn das Programm erst fertig ist, müßte eigentlich alles problemlos über die Bühne gehen.« Porter-Smith begann, ihnen in völlig unverständlichen Fachbegriffen darzulegen, wie wunderbar reibungslos und idiotensicher sein Programm sein würde.
»Dann haben Sie wohl nicht direkt mit den Mitgliedern zusammengearbeitet«, warf Max ein, sobald sich die Möglichkeit dazu bot.
»Nein, eigentlich nicht. Wir grüßen uns, wenn wir uns sehen, wissen Sie, und ich bemühe mich, all ihre Fragen zu beantworten, was Sozialhilfe und Altersrenten betrifft. Es ist wirklich erschreckend, wie wenig Ahnung manche dieser Leute haben, wenn es um ihre eigenen Finanzen geht.«
»Die meisten von ihnen haben in ihrem ganzen Leben noch nie irgendwelche Finanzen gehabt, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, sagte Brooks Kelling.
»Das würde ich nicht sagen«, widersprach Porter-Smith, wie er es immer gerne tat. »Einer der Männer hat mir erzählt, er sei früher Buchhalter in einer großen Fleischkonservenfabrik gewesen. Doch dann sei er Vegetarier geworden, und seine Prinzipien hätten ihn schließlich seine Stelle gekostet. Loveday behauptet zwar, die Leute würden einem ständig vorlügen, was für wichtige Jobs sie früher gehabt hätten, doch dieser Mann scheint
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