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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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sich unsere Wege bestimmt kreuzen, und ich weiß nicht, ob meine Schauspielkünste seinen scharfen kleinen Augen standgehalten hätten. Er sieht aus, als ließe er sich nicht so leicht hinters Licht führen. Gott sei Dank hat er sich nicht selbst um mich gekümmert, sondern jemand anderen damit beauftragt.«
    »Wen denn? Joan oder Annie?«
    »Mitnichten. Die gute Apollonia Kelling.«

Kapitel 11

    Sarah verschluckte sich an ihrer Milch. »Tante Appie? Was hat die denn im Center gemacht?«
    »Ein Riesenchaos verursacht, soweit ich sehen konnte«, antwortete Theonia mit für sie ungewöhnlicher Schärfe. »Ich habe mich gefühlt wie die arme Lady von Shalott in Tennysons Gedicht, als Appie auf mich zugestürzt kam. Auge in Auge mit dem Verhängnis sozusagen. Ich habe dagestanden wie vom Donner gerührt und völlig idiotisch ausgesehen. Glücklicherweise hat Appie nichts gemerkt und mich tatsächlich für idiotisch gehalten. Sie hat angefangen, mir alberne Fragen zu stellen, in dem üblichen munteren, mitfühlenden Ton, den sie immer parat hat, wenn sie versucht, ihrem Nächsten zu helfen. Ich habe nur »Häh?« gekrächzt, als wäre ich entweder zu dämlich oder zu taub, um sie zu verstehen, und ihr meine volle Tasche entgegengehalten. Schließlich hat Joan sich erbarmt und mich in das Hinterzimmer geführt, wo man die Flaschen und das Papier abgeben kann und sein Geld ausgezahlt bekommt. Ich habe sage und schreibe einen Dollar und fünfundachtzig Cent verdient. Ich hoffe, du bist stolz auf mich, Brooks.«
    »Allerdings. Du ahnst gar nicht, wie stolz! Du hast heute hervorragende Arbeit geleistet, aber es wäre mir ehrlich gesagt lieber, wenn es bei dieser einen Vorstellung bleiben würde. Ich markiere wirklich nicht gern den starken Ehemann, Theonia« - verständlicherweise, denn Theonia wog mindestens fünfundzwanzig Pfund mehr als er -, »aber dein Leben ist mir bedeutend mehr wert als einen Dollar und fünfundachtzig Cent. Chet Arthurs Mörder hätte immerhin zufällig im Center sein können, als du auch dort warst. Und was wäre passiert, wenn Appie dich erkannt und alles ausgeplaudert hätte, was sie todsicher getan hätte? Hast du denn nicht damit gerechnet, Sarah, daß Tante Appie nichts Besseres einfallen würde, als auf der Stelle herzukommen und gute Werke zu vollbringen? Warum hast du sie nicht davon abgehalten?«
    »Ich habe keineswegs damit gerechnet! Außerdem ist es unfair, mir dafür die Schuld zu geben. Schließlich ist sie mit dir viel näher verwandt als mit mir.«
    »Das lasse ich nicht auf mir sitzen! Sie ist lediglich die Tochter von Cousin Byram, und der war nur ein Cousin zweiten Grades meines Vaters.«
    »Damit bist du ein direkter Vetter dritten Grades. Sie war zwar auch Alexanders Cousine dritten Grades, aber Alexander war mein Onkel fünften Grades, was bedeutet, daß die Verwandschaft zwischen Byram und meinem Teil der Familie so minimal ist, daß sie gar nicht mehr zählt. Mit mir ist Tante Appie nur deshalb verwandt, weil sie mit Onkel Samuel verheiratet war, und der war zugegebenermaßen ein Cousin ersten Grades meines Großvaters.«
    »Das klingt einleuchtend«, sagte Max. »Brooks, ich kann verstehen, daß du nicht möchtest, daß Theonia so ein großes Risiko noch einmal eingeht. Mir wäre das auch nicht recht, aber es ist doch schließlich alles gut gelaufen. Sie hat ihre Rolle wie ein Profi gespielt und ist sicher und gesund aus der Sache herausgekommen.«
    Theonia bewegte ihre schmerzenden Zehen. »Ich wage stark zu bezweifeln, daß ich gesund bin, aber ich wußte die ganze Zeit, daß ich nie wirklich in Gefahr war, weil immer einer meiner mutigen Bodyguards auf mich aufgepaßt hat. Ich finde, wir waren alle hervorragend. Und was Appie betrifft, wissen wir doch, was für eine Seele von Mensch sie ist, auch wenn sie immer alles durcheinanderbringt. Die halbe Zeit weiß sie nicht mal, mit wem sie gerade spricht. Wahrscheinlich bestand ohnehin keine Gefahr, daß ausgerechnet Appie meine Tarnung auffliegen lassen würde, wie man das in diesem Fall wohl nennt. Falls sie mich wirklich erkannt hätte, wäre ich einfach nicht darauf eingegangen, hätte weiter »Häh?« gesagt und sie angestarrt. Kann ich jetzt endlich mit meinem Bericht fortfahren? Ich würde nämlich furchtbar gern so schnell wie möglich ein schönes heißes Bad nehmen.«
    »Ich möchte nur noch kurz sagen, daß ich Tante Appie tatsächlich angerufen habe, aber nicht, um sie davon abzubringen, im Center aufzukreuzen,

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