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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kerl mit der Kapuzenmütze heftete sich fest an ihre Fersen, als sie zur Ampel an der Ecke Beacon Street und Charles Street schlenderte. Als er stehenblieb, um einen Abfalleimer zu inspizieren, betrat sie einen Lebensmittelladen, erstand einige Kleinigkeiten und spazierte gemütlich den Beacon Hill bis zur Tu-lip Street hoch, begab sich dort zu einem dem Leser bereits vertrauten Haus aus braunem Sandstein und drückte auf die Klingel mit der Aufschrift >Bittersohn<.
    »Theonia!« rief Sarah und stürzte zur Tür.
    Max stand direkt hinter ihr, ein Handtuch in der Hand und Seifenspuren hinter den Ohren. Anscheinend war er nur mit einem Bademantel bekleidet. »Hallo, Theonia. Soll ich dir die Treppe hochhelfen?«
    »Nein danke, das schaffe ich gerade noch. Geh dich lieber anziehen. Ich brauche unbedingt einen Drink und einen Fußschemel«, fügte die stattliche Dame hinzu, als sie endlich in der Wohnung angelangt war und liebevoll umarmt wurde. »Habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie weit ich heute gelaufen bin?«
    »Du Ärmste. Komm, gib mir deinen Mantel. Max kommt, sobald er wieder ordentlich aussieht. Er hat ewig lange gebraucht, bis er den Schnurrbart endlich abbekommen hat, und von der haarigen Tweedhose hat er vom Gürtel abwärts eine fürchterliche Wollallergie bekommen. Er hat die ganze Zeit in der heißen Badewanne gesessen. Bourbon oder Sherry?«
    »Max ist wirklich zu beneiden.« Theonia ließ sich in den Sessel sinken, den Sarah ihr anbot, und legte ihre Füße auf den bereitgestellten Schemel. »Am liebsten einen doppelten Bourbon und eine Kleinigkeit zu essen dazu, damit ich mich nicht blamiere und am Ende noch nach Hause torkele. Kommt Brooks auch?«
    »In ein paar Minuten. Er mußte sich nur schnell in den Keller schleichen, um seinen Kopfschmuck loszuwerden.«
    »Hast du ihn gefragt, ob sich jemand um das Abendessen für die Pensionsgäste kümmert? Ich war so mit meiner Rolle beschäftigt, daß ich nicht mehr daran gedacht habe. Es ist mir gerade erst wieder eingefallen.«
    »Keine Sorge, es ist alles in Ordnung.« Sarah brachte Theonia ihren Drink und ein Tablett mit Crackern und Kräuterkäse. »Ich war drüben und habe einen Topf Tomatensuppe und Bœuf bourguignon gemacht. Mariposa braucht nur noch die Nudeln zu kochen und den Salat zuzubereiten.« »Und der Nachtisch?«
    »Charles zelebriert an der Tafel seine berühmten Poires flambées. Du weißt ja, wie versessen er darauf ist, mit brennendem Alkohol herumzujonglieren. Außerdem läßt es sich leicht zubereiten. Möchtest du deine Schuhe nicht ausziehen? Ich könnte Brooks schnell anrufen und ihn bitten, dir für den Heimweg ein paar bequemere Schu-he mitzubringen.«
    »Hervorragende Idee. Meine Füße fühlen sich an wie Kürbisse.« Theonia zog die schwarzen Pumps aus und bewegte vorsichtig ihre Zehen. »Ja, bitte ruf ihn an und sag es ihm. Diese Dinger bekomme ich bestimmt nicht mehr an.«
    Aber Brooks war bereits eingetroffen und hatte von sich aus ein Paar bequeme Sandalen mitgebracht.
    »Die sind für dich, Theonia, ich dachte, du könntest sie brauchen.«
    »Deine Großzügigkeit einer armen alten Stadtstreicherin gegenüber ist einfach überwältigend. Zuerst die Kleider und jetzt auch noch die Sandalen. Wie kann ich das je wiedergutmachen?«
    In der Regel neigten die Mitglieder des Kelling-Clans nicht dazu, private Gefühle in aller Öffentlichkeit zur Schau zu stellen. Brooks führte daher auch nur einige Schritte aus dem Balzrepertoire der Waldschnepfe vor, wobei er verständlicherweise den Teil wegließ, in dem der balzende Vogel sich hoch in die Lüfte schraubt und dann wie ein Stein auf die Erde fallen läßt. Danach begann er, Theonias Füße zu massieren.
    »Fühlst du dich besser?«
    »Und wie!«
    Theonia lehnte sich zurück in die weichen Polster, schloß die Augen und nippte genüßlich an ihrem Drink, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Die anderen warteten geduldig, da sie ihr Bedürfnis nach Ruhe verstanden. Schließlich begann Theonia mit dem Bericht, auf den alle so gespannt warteten.
    »Ich glaube, dieser Ashe ist ein Spion.«
    »Ein was?« rief Sarah.
    »Ich meine damit nicht den sprichwörtlichen Spion, der aus der Kälte kommt. Ich meine -«, Theonia knabberte ein wenig Käse und versuchte, sich genauer auszudrücken, »ihr wißt schon, was ich meine. Die Leute, die sich in eine Firma einschleichen, weil sie der Konkurrenz das Geheimrezept für die Gewürzgurken abspenstig machen wollen, oder die den Vorsitzenden der

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