Teeblätter und Taschendiebe
heraufbeschwört, nur um etwas aufdecken zu können?« rief Sarah.
Bill zuckte erneut mit den Achseln, diesmal noch heftiger.
Brooks Kelling rümpfte die Nase. »Schmutz und Schund. Kein Wunder, daß Ashe sich das Gesicht voll Dreck schmiert. Im Grunde basiert alles auf Selbsthaß, wißt ihr. >Ich bin so scheußlich, daß mich jeder verachtet, also sorge ich dafür, daß man euch auch verachtet, besonders wenn ihr zu den netten Leuten gehört, die versuchen, anderen Gutes zu tun.< Dolph und Mary müssen für jemanden, der alle Menschen als niederstes Gewürm ansieht, unerträglich sein. Kein Wunder, daß er glaubt, er könnte sie fertigmachen, indem er sich als falsche Schlange bei ihnen einschleicht.«
»Ja, aber das würde doch bedeuten, mit Kanonen nach Spatzen zu schießen«, protestierte Sarah. »Das SCRC ist nur ein kleiner lokaler Wohltätigkeitsverein, und Syndicated Slime ist ein Massenblatt. Wenn Ted Ashe das alles wirklich selbst inszeniert hat und seine eigenen Leute in Lila auf die Straße schickt und Dosen mit Heroin durch die Gegend kicken läßt, scheint mir das mehr als riskant zu sein, nur um eine gute Story zu bekommen. Außerdem würde die Geschichte außerhalb von Boston niemanden interessieren. Es sei denn, er hat vor, Eugene Porter-Smith als Buhmann darzustellen und Cousin Percy damit zu erpressen.«
»Wer ist Cousin Percy?« fragte Bill Jones.
»Er besitzt ein Steuerberaterbüro und hat Eugene gerade zu seinem Junior-Partner ernannt. Zu ihren Klienten gehören sehr einflußreiche Leute, und Ted Ashe könnte vielleicht damit drohen, ihren Ruf zu ruinieren.«
»Würde Cousin Percy denn bezahlen?«
»Um Himmels willen, natürlich nicht! Was meinst du, Brooks?«
»Daß ich nicht lache! Ein Kelling würde sich nie von seinem Geld trennen, um es einem Schmutzfink von der Presse in den Rachen zu werfen. Percy würde einen Angestellten damit beauftragen, Ashe auf dem schnellsten Weg an die Luft zu setzen, und dann seiner Sekretärin die Anweisung geben, keine weiteren Erpresser vor-zulassen, da er ein vielbeschäftiger Mann sei und keine Lust habe, sich Märchen anzuhören.«
»Aber das weiß Winchell vielleicht nicht«, meinte Bill.
»Dann wird es für Winchell oder Ashe oder wie immer der Kerl auch heißt ein unsanftes Erwachen geben, falls es wirklich um Erpressung geht.«
»Könnten wir diese Theorie vielleicht kurz zurückstellen?« fragte Max. »Ich schlage vor, wir besorgen uns als erstes eine dieser lila Dosen und versuchen herauszufinden, was sich wirklich darin befindet. Falls dieser Mensch - ich nenne ihn der Einfachheit halber weiter Ashe - tatsächlich eine falsche Drogenschmugglerbande zusammengetrommelt hat, nur um sich eine gute Story zu sichern, füllt er die Dosen vielleicht nur mit Backpulver oder etwas ähnlichem.«
»In Chet Arthurs Tasche haben wir aber kein Backpulver gefunden«, erinnerte ihn Sarah.
»Richtig, aber wir haben auch keinen Beweis dafür, daß Chet eine lila Dose bei sich hatte oder das Heroin tatsächlich aus dieser Dose stammte. Erkennst du auf den Bildern sonst noch jemanden, Bill?«
»Den hier.« Bill wies auf das Foto mit dem gepflegten älteren Herrn, den Sarah mit dem Kirchenblatt gesehen hatte.
»Harry Burr«, sagte Sarah. »Er ist eine Art Laienprediger, wenn ich mich nicht irre.«
»Richtig«, sagte Max. »Er hat den Trauergottesdienst für Chet Arthur gehalten.«
»Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe«, sagte Bill, »war er Barkeeper im >Broken Zippen.«
Sarahs erster Gedanke war »Die arme Mary!«, doch sie behielt ihn für sich. »Vielleicht ist er an dem Abend nur für den richtigen Barkeeper eingesprungen. Annie Bickens hat ihn möglicherweise empfohlen. Sie geht noch manchmal hin, um ihre alten Freunde zu besuchen.«
»Ja-ha«, sagte Bill. »Ich glaube, ich sollte mich allmählich verabschieden.«
Er schenkte Sarah ein besonders schmachtendes Lächeln, nickte den Männern zu, glitt die Treppe hinab und verschwand in der Nacht.
Kapitel 14
Und was steht heute auf dem Programm, Liebling?« Sarah war aufgestanden, angezogen und fertig zum Aufbruch. Max griff nach seinem Kaffee und schaltete die Radiosendung Morning Pro Musica an. Robert J. Lurtsema las gerade mit der für ihn typischen Geschwindigkeit von einer Silbe pro Sekunde die neuesten Kata-strophenmeldungen vor und vermittelte seinen Zuhörern das beruhigende Gefühl, daß ihr Radiosprecher Robert J. alles gut im Griff hatte und die Ansicht vertrat, daß kein Grund zur
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