Teeblätter und Taschendiebe
braucht. Frag einfach Theonia, was sie von dem Vorschlag hält. Wir können uns bei Gelegenheit über die Einzelheiten unterhalten. Ach so, und bitte sag Mary Bescheid, daß wir schon auf dem Weg sind und in Kürze eintreffen.«
»Ich wußte gar nicht, daß du die Pension schließen willst«, sagte Max, als sie zur Garage hinuntergingen.
»Der Gedanke ist mir schon vor ein oder zwei Tagen gekommen, aber dann ist so viel passiert, daß ich ihn wieder vergessen habe. Das Haus hat seinen Zweck erfüllt, und
ich könnte mir vorstellen, daß es Brooks und Theonia allmählich doch leid sind. Ich würde das Haus nur ungern verkaufen, schließlich ist es schuldenfrei und gehört uns.«
»Es gehört dir.«
»Liebling, es macht dir doch hoffentlich nichts aus, wenn ich es behalte, oder? Früher hat es mich immer gestört, weil es mich an die Vergangenheit erinnert hat, aber die Zeiten sind vorbei. Inzwischen ist es mir irgendwie - fremd geworden, mit all den Pensionsgästen, die ständig ein und aus gehen.«
»Möchtest du denn ein Stadthaus haben?«
»Ich würde gern auf Nummer Sicher gehen. Es gibt bestimmt hin und wieder Krisen, schließlich sind die meisten unserer Verwandten schon ziemlich alt. Und es wäre bedeutend einfacher, derartige Probleme von hier aus anzugehen. Außerdem brauchst du ein Zimmer, wenn du in Boston übernachten mußt, Liebling. Du kannst schließlich nicht mitten in der Nacht aus dem Flugzeug hüpfen, wenn du aus Nairobi kommst, und den ganzen weiten Weg an der Küste entlang bis nach Ireson's Landing fahren.«
»Wie oft hüpfe ich schon aus einem Flugzeug aus Nairobi?«
»Dann eben Antwerpen oder Seattle oder was weiß ich. Wenn wir das Haus nicht mehr hätten, müßten wir dir ein Apartment mieten oder dich in einem Hotel unterbringen. Beides wäre wahrscheinlich teurer als der Unterhalt des Hauses, besonders wenn Brooks auch etwas dazu beisteuert. Außerdem würden deine Kinder vielleicht eines Tages gern ein Haus in Boston besitzen.«
»Gut möglich, Liebes.« Nachdem Max Sarah noch vorsichtiger in seinem Wagen verstaut hatte als eine überaus seltene Kostbarkeit aus besonders zerbrechlichem Porzellan, fuhren sie endlich los.
Bis zu Dolphs Lagerhaus war es nicht weit, doch die vielen Einbahnstraßen und diverse ortsfremde Fahrer, die ihnen voll Panik aus der falschen Richtung entgegenkamen, machten die kurze Fahrt ziemlich abenteuerlich. Dank ihrer Ausdauer und ihres unerschütterlichen Mutes erreichten sie schließlich dennoch ihr Ziel, konnten aber natürlich keinen Parkplatz finden und mußten sich damit zufrieden geben, im Schrittempo an dem Gebäude vorbeizufahren.
Das Lagerhaus war nicht sonderlich sehenswert, nur ein dreistöckiger Kasten aus rotem Backstein mit schmutzigen Fenstern und einem schwarzgeteerten Parkplatz, der für die Bedürfnisse der ehemaligen Arbeiter sicher alles andere als passend gewesen war. Interessant an dem Gebäude war nur die Tatsache, daß es direkt am Hafen lag und von zwei weiteren ehemaligen Lagerhäusern flankiert wurde, die man durch geschickte architektonische Veränderungen in ansehnliche und zweifellos teure Apartmenthäuser mit Eigentumswohnungen für soziale Aufsteiger verwandelt hatte.
»Einfach unglaublich«, sagte Sarah. »Was man aus einem häßliche Gebäude alles machen kann! Ist das nicht faszinierend, Max? Dolph und Mary haben zwar sicher nicht vor, so ausgefallene Eingänge und Fenster einbauen zu lassen, aber sie könnten den scheußlichen Asphalt entfernen und statt dessen einen kleinen Garten für die Mieter anlegen lassen, in dem sie sitzen und auf den Hafen schauen können, denn Autos werden sie ja bestimmt nicht haben. Zu den Läden und zur U-Bahn ist es nur ein Katzensprung, und die Tatsache, daß nebenan schöne Eigentumswohnungen liegen, kann sich nur als vorteilhaft erweisen, meinst du nicht? Es ist bestimmt eine sichere Wohngegend, und die alten Leutchen könnten sich frei bewegen und brauchten keine Angst zu haben, überfallen zu werden.«
»Überfallen werden sie hier sicher weniger, aber dafür wird man ihnen bestimmt oft die kalte Schulter zeigen«, sagte Max. »Kannst du dir vorstellen, wie sich die Yuppies fühlen, die sich mit Riesensummen verschuldet haben, um sich eine schicke Eigentumswohnung leisten zu können, wenn sie jeden Tag die Prozession von Joanies und Annies mit ihren Tragetaschen vorbeiziehen sehen?«
»Warum sollte sie das stören? Die Stadt verdankt doch schließlich genau diesem Nebeneinander
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