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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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denn noch? Es ist hier ein Verkehr wie in München bei der Oktoberfesteröffnung! Nicht, dass wir noch entdeckt werden.«
    Â»Ich hab’s gleich«, kam es zurück, »die Sau, die klemmt, aber ich hab’s gleich.«
    Um 4.15   Uhr war dem Heuschreck Kürschner das Wasser abgestellt. Da würde er erst einmal draufkommen müssen, dass man ihm das Wasser schon im Kanal abgedreht hatte. Sicher würde er die Ursache der Trockenheit erst einmal bei sich im Haus suchen. Sollte er es ruhig mit der Angst bekommen, der Haderlump!
    Als Großmann wieder oben war und den Kanaldeckel zugeschoben hatte, bot er den beiden anderen seine Taschenflasche an, doch die winkten zu seiner Überraschung ab.
    Natürlich konnte Großmann nicht wissen, dass hiermit erst Teil eins des großen Plans erledigt war. Ihr Kompagnon, der Bauer Pius Nagel, hatte seine erfundene Darmgrippe längst auskuriert und stand mit Traktor samt angehängtem Milchfass bereits vor den Toren Wiessees. Der Kürschner würde schauen, schauen würde der!
    Rund fünfzehn Stunden früher hatten Anne und Sepp Kastner Lisa im Kindergarten abgeholt und waren mit ihr zur Metzgerei Walch gefahren, wo Anne drei Leberkässemmeln kaufte.
    Kastner, der währenddessen mit Lisa im Streifenwagen blieb, nutzte sofort die Chance, um mit Lisa ins Gespräch zu kommen. »Na, wie gefällt’s dir denn am Tegernsee?«
    Keine Antwort. Lisa schaute zum Fenster hinaus, vor dem gerade eine Rotte grau bejackter Seniorinnen und Senioren in Gesundheitsschuhen vorbeitrabte. Vorneweg ein Mann mit einer etwas aus Zeit und Raum fallenden weißen Leinen-Schiebermütze und einer Fliege unter der rot-schwarzen Regenjacke.
    Â»Magst du nicht mit mir reden?«, fasste Kastner freundlich nach. Schließlich musste vor allem auch die Beziehung zur Tochter stimmen, falls es mit der Angelina vom Tegernsee und ihm auf Dauer klappen sollte. Lisa schaute weiter und ohne Regung zum Fenster hinaus.
    Â»Schau mal, da draußen, der Mann mit der Fliege, das ist der Herr Doktor Heißerer«, so Kastner mit seiner dümmsten Duzi-duzi-Stimme. »Der geht mit den Menschen spazieren und zeigt ihnen, wo hier einmal berühmte Menschen gewohnt haben, also berühmte Schriftsteller, glaube ich.«
    Lisa regte sich noch immer nicht.
    Â»Hast du auch ein Buch?«, wollte Kastner wissen.
    Â»Nein, ein ganzes Regal voll«, antwortete Lisa patzig.
    Â»Mei, so was«, spielte Kastner sehr schlecht den Beeindruckten, »auch so schöne Bücherl mit bunten Bilderln drinnen?«
    Â»Nein, die ganzen Kinderbücher haben wir schon alle im Antiquariat im Internet verkauft«, entgegnete Lisa eiskalt und in reinstem Hochdeutsch. »Wir lesen jetzt nur noch Bücher ohne Bilder. Astrid Lindgren, Michael Ende, Otfried Preußler, so heißen meine Lieblingsschriftsteller. Aber auch von Salman Rushdie habe ich schon was gelesen.«
    Kastner war baff. Konnte die Kleine etwa schon lesen oder was? Die kam doch erst in die Schule! Er beschloss, die Tochter seiner zukünftigen Ehefrau erst einmal in Ruhe zu lassen. Ganz offensichtlich würde ihm die Eroberung des Mädchens noch schwerer fallen als die seiner Mutter. Während Kastner diesen Gedanken nachhing, öffnete die Frau, die er so sehr begehrte, die Wagentür und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.
    Â»Essen wir hier im Auto?«, fragte Kastner.
    Â»Hast du einen anderen Vorschlag?« Anne sah ihn interessiert an.
    Â»Wir könnten uns an die Seestraße in Rottach-Egern setzen, da ist’s schön.«
    Â»Ja gut, dann machen wir das doch.«
    Ein paar Minuten später saßen sie auf einer Bank mit Seeblick, und Kastner schwärmte vom Pferdefestzug am Rosstag im August. Anne hörte nur halb zu, in Gedanken war sie bei Bernhard. Allmählich fühlte sie sich ganz schön von ihm hängen gelassen. Da konnte sie sich noch so oft sagen, dass Bernhard gerade wieder unter seiner Krankheit litt und er deshalb nicht der »wahre« Bernhard war, den sie liebte – ihre massive Enttäuschung ging davon auch nicht weg. Bernhards Verhalten erschütterte ihren Glauben daran, dass das Leben unter dem Strich etwas Gutes war, ein Grundvertrauen, das sie sich in den vergangenen Jahren erst mühevoll wieder hatte aufbauen müssen.
    Â»Habt’s ihr eigentlich ein Dirndl?«, fragte Kastner jetzt.
    Â»Nein«, antworteten Lisa und Anne

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