Tegernseer Seilschaften
beinahe gleichzeitig.
»Ihr tätetâs aber gut drin ausschauen, glaubâ ich.« Kastner sah Anne, die zwischen ihm und Lisa saÃ, mit Kennermiene an. »WeiÃt schon, dass deine Mutter die schönste Frau vom ganzen Tegernsee ist, oder?«
Lisa blickte ihre Mutter an und schnitt eine Grimasse, die Kastner nicht sehen konnte. Anne lächelte und meinte zu ihr: »Für dich bin ich einfach nur die Mama, oder?«
Ihre Tochter nickte. »Aber ich hätte gern ein Dirndl. Alle Mädchen im Kindergarten haben eins.«
»Ja, das wärâ doch was!«, stieg Kastner euphorisiert ein. »Als echte Tegernseerin braucht die Lisa natürlich ein Dirndl. Da gehen wir jetzt gleich zur Probst Fanny, die ist nämlich die Dirndlschneiderin hier. Und die macht dir dann ein fesches Gewand. Und deiner Mutter auch. Mei, da werdetâs ihr aber fesch aussehen.«
»Seppi, wir werden jetzt nicht zur Probst Fanny gehen. Wir sind nämlich gerade im Dienst und sollten schnellstens zusehen, dass wir den Mörder von Ferdinand Fichtner finden. Der Nonnenmacher hat heute schon wieder einen Anruf vom Bürgermeister bekommen.«
»Und, was wolltâ der Bürgermeister?«
»Er wollte wissen, ob etwas an dem Gerücht dran ist, dass wir in Sachen Fichtner einen Mord nicht mehr ausschlieÃen.«
»Was die Leutâ alles reden â¦Â«, so Kastner sinnierend, bevor er fortfuhr: »Und was sollen wir da jetzt noch machen?«
»Wir schauen uns den Tatort noch einmal an.«
»Und die Lisa?«
»Die Lisa, die kommt einfach mit.«
Sie standen auf und liefen vorbei an den Bronzeskulpturen von Ludwig Thoma, Leo Slezak und Ludwig Ganghofer zurück zum Streifenwagen, den sie bei der Leo-Slezak-StraÃe abgestellt hatten. Auf dem Weg grüÃte Sepp Kastner jeden dritten Passanten, auch diejenigen, die ihn nicht grüÃen wollten, und die meisten schauten erstaunt auf seine Begleitung. Eine Frau in Tracht rief ihm sogar hinterher, wer denn die Schönheit mit Kind sei, die er da festgenommen habe, oder ob er nun unter die Familienväter gegangen sei. Kastner, der nicht besonders schlagfertig war, machte nur eine hilflose Handbewegung und wurde rot. Insgeheim genoss er es aber wie der Gockel in einem Stall voller Hühner, an der Seite der langhaarigen jungen Frau mit den vollen Lippen und ihrer ansehnlichen Tochter durch sein Revier zu stolzieren. Dass die Tochter ein Saufratz war, konnte man von auÃen ja nicht gleich erkennen.
Im Weitergehen erklärte er seinen beiden Begleiterinnen, voller Stolz über sein Wissen, dass es sich bei diesem Leo Slezak, an dessen Figur sie eben vorbeispaziert waren, um einen der bedeutendsten Operettenkünstler des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts gehandelt habe. Dies, obwohl Slezak eigentlich nur ein einfacher Gärtnerlehrling und Maschinenschlosser gewesen sei. Dann aber sei er als Statist entdeckt worden, und schon sei es losgegangen mit der groÃen Karriere, die ihn bis an die Berliner Hofoper, nach New York und sogar ins Filmgeschäft geführt habe. Wenn man sich diesen Lebenslauf so anschaue, meinte Kastner, dann sei es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass auch er, der er letztlich ja wie Slezak auch nur die Volksschule besucht habe, noch einmal von wem entdeckt würde. Das sei gerade am Tegernsee überhaupt nicht unwahrscheinlich. SchlieÃlich würden hier eine Menge Filme gedreht. Vor einiger Zeit zum Beispiel einer mit dem Wepper Elmar und der Frau Hörbiger. Da habe er, Sepp, sich absichtlich immer wieder in der Nähe des Filmteams herumgetrieben, um entdeckt zu werden. Das hätte vielleicht sogar geklappt, wenn nicht plötzlich einer von den Statisten verschwunden wäre und man einen Polizeieinsatz habe machen müssen.
»Was meinst du mit âºverschwundenâ¹?«, fragte Anne.
»Der hat den Wepper Elmar als Indianer gedoubelt, und dabei ist er aus dem Kanu gefallen«, erklärte Sepp. »Da hättenâs mal lieber mich den Wepper Elmar spielen lassen. Ich fallâ nicht so leicht aus einem Kanu.«
»Aber du siehst auch nicht aus wie der Elmar Wepper«, wandte Anne ein.
»Dafür hättâ ich mich schon älter machen lassen«, meinte Sepp groÃzügig.
»Und was ist dann passiert?«
»Ja, dann war der Mann halt tot«, so der Polizist. »Am nächsten Tag habenâs ihn aus vierzig Metern Tiefe rausgezogen. Nicht
Weitere Kostenlose Bücher