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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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handfestes Problem. Kastner kam für sie als Mann so was von überhaupt nicht infrage – aber sie brauchte tatsächlich Hilfe. Konnte sie es vertreten, sich von Kastner helfen zu lassen, obwohl sie ahnte, dass er sie vermutlich nur ins Bett oder sonst wohin kriegen wollte?
    Sepp Kastner riss Anne aus ihren Gedanken. »Ich kann sie gleich anrufen.«
    Â»Wen?«
    Â»Ja meine Mutter halt«, sagte er etwas irritiert.
    Â»Neinneinnein«, erwiderte Anne schnell. »Wir machen das anders: Wir machen früher Mittagspause und holen Lisa ab. Und dann kann sie uns nachmittags bei unseren Ermittlungen unterstützen.« Sepp Kastners verdutzten Gesichtsausdruck sah Anne nicht mehr, weil sie an ihm vorbei auf den Flur stürmte. Sepp blieb in der Damentoilette zurück.
    Für einen erfahrenen Meister der Sanitärinstallation wie Sigi Großmann war es ein Leichtes, dem Milliardär Alfons Kürschner das Wasser abzustellen. Nicht einmal die Bitte der drei Kammerjäger Amend, Hörwangl und Nagel, den Grundnerhof wirklich nachhaltig von der Versorgung abzuklemmen, hatte Großmann in Verlegenheit gebracht.
    Hörwangl hatte am Freitag bei einer Angestellten Kürschners, die hauptberuflich in der Konditorei Schwaiger arbeitete, unauffällig in Erfahrung gebracht, dass die Aktien siebzig zu dreißig standen, dass Kürschner am Samstag an den Tegernsee kommen werde, dass das Haus aber in der Nacht von Freitag auf Samstag leer stehe.
    Daher hatten sich die Kammerjäger mit Großmann um drei Uhr morgens am Ortsschild von Bad Wiessee verabredet. Um möglichst wenig Aufsehen zu erregen, waren Amend, Hörwangl und Großmann sogar mit dem Fahrrad gekommen. Die Nacht war zudem Gott sei Dank etwas neblig. Großmann zeigte sich nur erstaunt, dass Pius Nagel bei dem Treffen fehlte. Auch spürte er, dass an der Begründung, Nagel sei von einer plötzlichen Durchfallkrankheit mit außergewöhnlicher Schubkraft heimgesucht worden, irgendetwas faul war. Aber der Bootsführer und der Fischer blieben bei ihrer Version, und so legten die drei ihre Fahrräder etwas abseits der Straße in die Wiese, um den Rest des Wegs zu Fuß zu bestreiten. Großmann hatte seinen, wie er ihn nannte, »kleinen Notfall-Werkzeugkoffer« mit dabei. Er ging davon aus, dass die abgespeckte Ausrüstung reichen würde.
    Was das Quartett bei seiner Planung allerdings vergessen hatte, war, dass gerade in den samstäglichen frühen Morgenstunden ziemlich viele Autos von der Wiesseer Spielbank in Richtung Gmund unterwegs waren – sei es, um sich in einem nahe gelegenen Quartier oder gar in München von der Aufregung, oft auch vom Ärger des Glücksspiels zu erholen. Gerade als sie losgehen wollten, bremste ein schwarzer Audi und kam neben ihnen zu stehen. Aus dem Sportwagen drangen laute Bässe.
    Â»So ein Scheißdreck, die Sissy mit ihrem Freund«, fluchte Hörwangl.
    Das Beifahrerfenster wurde geöffnet, und durch den Lärm eines basslastigen Lieds drang die Stimme von Hörwangls Tochter an das Ohr der drei Verschwörer: »Ja Papa, was machst du denn da?«
    Â»Mach du erst einmal den Krach aus!«, schrie Hörwangl unwirsch gegen den Anton aus Tirol an. Die Musik wurde leiser, und Hörwangl sah, dass hinten im Auto noch zwei junge Männer saßen, Sonnenbrillen tragend, was Hörwangl bei dem Nebel als höchst sinnvoll erachtete. Die zwei Brillen prosteten ihm mit Red-Bull-Dosen zu. Er fand, dass seine Tochter bei der Auswahl ihrer Liebhaber weniger auf die PS -Zahl der von ihnen gefahrenen Rennwagen als vielmehr auf Werte wie Ehrlichkeit und Verantwortungsgefühl achten sollte. Bei der Betrachtung der heutigen Jugendlichen gewann er jedoch zunehmend den Eindruck, dass es denen nur noch um sich selbst ging und sie nicht wussten, was »Verantwortung« bedeutete. Für Hörwangl hieß das etwa, dass man auch einmal bei einer Sache mitmachte, die nicht nur einem selbst einen Vorteil einbrachte, sondern letztlich auch dem Rest der Menschheit diente, so wie ebendieser spontane Plan der Tegernseer Stammtischverschwörer. Der Kürschner würde sich nach diesem Denkzettel nämlich zweimal überlegen, ob er noch einmal so einen Betrugsfonds auflegen würde, der ja nur ihn reich, alle anderen aber arm machte.
    Â»Was machst du denn da?«, fragte Sissy erneut.
    Â»Ach nix«, antwortete Hörwangl unsicher.
    Â»Weiß die

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