Tegernseer Seilschaften
vergangenen Jahren noch eine â¦Â«, sie zögerte, suchte nach einem unverfänglichen Wort, »â¦Â Kontakt. Was ist denn noch in der Dose?«
Die Bäuerin wandte sich wieder dem Blechbehältnis zu, in dem sich noch ein silbernes Feuerzeug, ein kleines altes Taschenmesser mit Hirschhorngriff, ein Ehering, einige Murmeln, ein Döschen mit Zähnen und anderer Kleinkram befanden. Als Evi Fichtner alles wieder einräumen wollte, fragte Anne, ob sie den Brief mitnehmen dürfe, um zu versuchen, diese Karin Goldhammer ausfindig zu machen. Die Witwe nickte und gab ihn ihr. Dann brach sie in Tränen aus. Anne hatte selten eine derart hart wirkende Frau weinen gesehen. Sie legte ihren Arm um Evi Fichtner. Ihr Körper fühlte sich knochig an. Ob Frau Loop meine, dass ihr Mann sie betrogen habe, schluchzte sie. Anne sagte, dass man darüber jetzt nicht spekulieren solle. Es könne ja auch sein, dass da gar nichts dahinterstecke.
»Aber dass er ihr Strümpfe geschenkt hat«, weinte die Bäuerin weiter, »Strümpfe, wie mir.«
»Kommen Sie«, versuchte Anne sie zu beruhigen, »lassen Sie uns weitersuchen. Wenn man weint, entsteht nichts Neues, nur wenn man handelt. Und Sie sind doch eine starke Frau, die sich noch immer allem gestellt hat.«
Es war offensichtlich, dass es der Bäuerin schwerfiel, sich zusammenzureiÃen, aber sie raffte sich auf und suchte, gemeinsam mit Anne, weiter nach Indizien, die den Tod ihres Mannes begründen konnten. Hinter den zusammengelegten Kleidern auf den anderen Regalbrettern fanden die beiden Frauen nichts mehr. Auch unter dem Bett und im Nachtkästchen tauchte nichts von Bedeutung auf.
»Hatte Ihr Mann denn auch ein Büro?«, fragte Anne. Die Bäuerin schaute sie entsetzt an. »Oder auch nur einen Schreibtisch?«
Evi Fichtner schüttelte den Kopf und sagte, dass alle schriftlichen Angelegenheiten von ihnen stets in der Stube erledigt würden, dort seien auch die Ordner mit den Papieren für die einzelnen Kühe, das Herdenbuch et cetera und der ganze andere Kram.
»Das sollten wir uns dann auch noch einmal ansehen«, meinte Anne und stand auf.
Als sie unten waren, holte sie ihren Kollegen wieder herein, der auf der Bank vor dem Haus gesessen hatte. Sie ignorierte seinen fragenden Blick und forderte ihn auf, sich die Ordner, die Evi Fichtner ihnen in der Stube zeigte, durchzusehen. Annes Intuition sagte ihr, dass sie das Wichtigste schon gefunden hatten. Dennoch fasste sie nach: »Hatte Ihr Mann sonst noch irgendwo Sachen? Was ist da in der Schublade?« Anne zeigte auf die Schublade im Tisch vor der Eckbank.
»Da sind lose Papiere drin, aber nichts, was ich nicht kenne, weil da bin ich auch immer am Arbeiten«, erklärte Evi Fichtner.
»Darf ich trotzdem kurz hineinschauen?«, wollte Anne wissen, woraufhin die Bäuerin die Schublade aufzog. Anne sah ein Sammelsurium aus Stiften, losen Blättern, Rechnungen, Notizzetteln, Briefumschlägen, eine Tube Klebstoff, eine Schere und einen Brieföffner.
»Da ist sicher nichts drin, was ich nicht weië, sagte die Bäuerin noch einmal.
Da Anne ihr glaubte, half sie Sepp Kastner nun beim Durchforsten der Ordner. Aber auch hier fand sich nichts Auffälliges, und so beschlossen sie, die Durchsuchung zu beenden und sich zu verabschieden.
Die beiden Polizisten lieÃen eine verstörte Evi Fichtner zurück. Als Anne im Auto saà und ihr zuwinkte, sah sie, dass die vermeintlich so gefühllose Frau wieder weinte. Dann zeigte Anne ihrem Kollegen den Brief und fragte ihn nach seiner Einschätzung: Ob da eine Frauengeschichte dahinterstecke? Ob das die Erklärung für die mysteriösen Geldabflüsse sei â und vielleicht auch für Fichtners Tod?
»Vielleicht hat der sich eine Bedienung geangelt«, meinte Kastner. »Aber so richtig verliebt war die doch nicht in den, oder?«
»Wieso meinst du?«, fragte Anne erstaunt.
»Weil sie ihn am Ende vom Brief bloà umarmt und weil sie sich darüber freut, dass er ein Kind von einer anderen bekommt ⦠das würde die doch nicht tun, wenn sie ihn wirklich lieben tätâ! Die wolltâ doch dann sicher, dass sie selber ein Kind von ihm bekommt, und nicht eine andere!« Kastner dachte kurz nach, weil ihn plötzlich die Befürchtung überfiel, dass das, was er gerade gesagt hatte, seine Chancen bei Anne nicht gerade steigern
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