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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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herausnehmen?«, fragte sie vorsichtig.
    Â»Ich mach’s schon«, sagte Evi Fichtner und nahm acht mit Frauenkleidern behängte Bügel, darunter zwei Dirndl, heraus. »Die meisten Kleider sind sowieso von mir. Der Ferdinand hat nicht viel gehabt … gebraucht. Die Winterkleider sind in einem Schrank in der Tenne.«
    Jetzt konnte Anne das Innere des Schranks genauer einsehen, doch sie entdeckte nichts Ungewöhnliches. Dann griff sie mit ihrer linken Hand hinter die auf den Brettern liegenden Kleidungsstapel und erspürte hinter einem einen harten Gegenstand.
    Â»Ich glaube, da ist was Schweres dahinter, könnten Sie das mal bitte herausholen?«
    Die Polizistin trat zur Seite, und Evi Fichtner nahm die Pullover heraus, hinter denen eine alte Keksdose zum Vorschein kam. Während die Bäuerin sie herauszog, achtete Anne genau auf ihre Gesichtszüge. Doch Evi Fichtner schien den Behälter auch nicht zu kennen. Jedenfalls wirkte sie neugierig, was da zum Vorschein kommen würde. Sie stellte die Dose auf das Bett und setzte sich daneben. Anne setzte sich auf die andere Seite. Evi Fichtner öffnete die Blechkiste. Zuoberst lag ein großes blaues Löschpapier, das an den Rändern bereits vergilbt war. Die Bäuerin nahm es vorsichtig und hob es hoch. Darunter kam ein großformatiges Schwarzweißfoto zum Vorschein, auf dem eine junge Frau im Dirndl und mit ordentlich geflochtenen Zöpfen zu sehen war.
    Â»Das bin ja ich!« Evi Fichtner wirkte sichtlich erstaunt. »Das kenne ich gar nicht.« Sie schaute noch eine Weile darauf und legte es dann beiseite, um sich den Briefen zu widmen, die unter dem Foto lagen. Teils waren sie in Sütterlinschrift verfasst. Evi Fichtner blätterte sie durch und sagte bei zweien: »Der ist von mir.« Anne sah, dass sich in den Augen der Bäuerin, die bislang so hart gewirkt hatte, Tränen sammelten. Beim untersten Brief stutzte die Witwe aber. Anne konnte von ihrem Platz aus nur erkennen, dass es sich um einen Brief handelte, auf dem die Empfängeradresse nicht in Sütterlin geschrieben war.
    Â»Karin Goldhammer, Rosenheim«, las die Bäuerin leise vor. »Wer ist Karin Goldhammer aus Rosenheim?« Anne verhielt sich still. »Poststempel 1985, da war ich zum zweiten Mal schwanger«, bemerkte Evi Fichtner, zog das Blatt aus dem Kuvert und überflog schweigend das Geschriebene. Anne wartete. Die Gesichtzüge der Bäuerin verrieten nichts über den Inhalt des Briefs. Als sie fertig gelesen hatte, blickte die Bäuerin auf und sah Anne an, die daraufhin mit den Schultern zuckte. Die Bäuerin reichte ihr das Blatt. Es war einseitig beschrieben. Anne las:
    Â 
    Mein lieber Ferdinand,
    ich habe mich sehr über Deinen Besuch bei uns in Rosenheim gefreut. Auch, wenn ich dauernd bedienen musste, war es doch auch schön, Dich zu sehen. Fesch hast Du ausgesehen. Gut, dass Dir der Kaffee geschmeckt hat und der Kuchen. Er war auch frisch an diesem Tag. Schön, dass Du jetzt noch ein Kind bekommst. Ich freue mich für Dich. Danke für die Geschenke. Die Strümpfe und das andere. Komm bald wieder zu mir, wenn nicht so viel los ist im Café. Ruf aber vorher an oder schick eine Karte.
    Eine Umarmung,
    Deine Karin
    Â 
    Anne blickte von dem Brief auf. »Können Sie damit etwas anfangen?«
    Evi Fichtner schüttelte den Kopf. »Hat der eine Freundin g’habt? Strümpfe hat er ihr geschenkt!« Sie blickte auf das Blatt. »›Eine Umarmung, Deine Karin‹.« Dann schwieg sie. Anne hatte aber den Eindruck, dass es in der Bäuerin arbeitete.
    Â»Kennen Sie jemanden in Rosenheim?«
    Â»Ja schon, wir haben da Verwandtschaft, aber eigentlich keinen Kontakt.«
    Â»Warum nicht?«
    Â»Weil meine Schwiegermutter mit ihrer Familie gebrochen hat.«
    Anne sah die Bäuerin fragend an, die daraufhin erklärte: »Na ja, ich weiß auch nicht genau, was da war, die hat sich halt nicht mit ihren Schwestern verstanden, und dann ist der Kontakt irgendwie abgebrochen. Ich weiß da nichts Genaues, weil, solange meine Schwiegermutter gelebt hat, hat man darüber nicht gesprochen, und als sie dann tot war, auch nicht. Aber der Brief hört sich doch nicht nach Verwandtschaft an – hört der sich für Sie nach Verwandtschaft an?«
    Anne war sich nicht sicher. »Wir sollten auf jeden Fall versuchen, diese Karin ausfindig zu machen. Vielleicht war da auch in den

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