Tegernseer Seilschaften
handelte. Auch sah der Schnipsel aus, als wäre er aus einem Block herausgerissen worden, der als Werbegeschenk gedient hatte, denn am unteren Rand entlang lief ein roter Strich.
Als Anne die drei Wörter las, die einzig auf dem Abriss zu erkennen waren, weil der Rest des Textes vermutlich auf dem wesentlich gröÃeren, fehlenden Teil des Papiers stand, war sie wie elektrisiert. Sofort sprang sie auf und rannte durch den Flur, das Treppenhaus hinab und hinüber in den Saunabereich. Völlig auÃer Atem erreichte sie Nonnenmacher in der Saunakabine. Er saà auf der untersten Bank und löffelte verstohlen etwas WeiÃes aus einer lilafarbenen Tupperdose.
»Was machen Sie denn da?«, fragte Anne den Leiter der Polizeiinspektion Bad Wiessee verdutzt.
»Das sehen Sie doch, Frau Polizeihauptmeisterin, ich esse«, antwortete dieser ärgerlich. Da es aber in der Kabine relativ dunkel war, konnte Anne nicht sehen, dass Nonnenmacher rot geworden war. Obwohl die Reisdiät seiner Frau gegen das Magengrimmen zu helfen schien, wollte er partout vermeiden, dass sich sein neues Ernährungskonzept in der Inspektion herumsprach. Ein Tegernseer, der während der Arbeit kalten Reis löffelte, obendrein noch ein leibhaftiger Dienststellenleiter, das lieà sich nicht mit der AuÃendarstellung in Einklang bringen, die Nonnenmacher bei der öffentlichen Positionierung seiner Polizeieinheit im Sinn hatte, der Reis war kein heimisches Gewächs.
»Was gibtâs denn, dass Sie mich so beim Brotzeiten aufhetzen?«, wollte er nun wissen und versuchte hastig, den Deckel auf die Kunststoffdose zu drücken, was dazu führte, dass dieser ihm entglitt und unter die Saunabank kullerte.
Nonnenmacher machte Anstalten, ihn dort hervorzuholen, doch Anne kam ihm zuvor.
»Warten Sie«, sagte die junge Polizistin, glitt geschmeidig auf den Boden und kroch unter die Bank. Sekunden später konnte man nur noch ihren perfekt geformten Po und die Beine sehen.
Nonnenmacher war sich nicht sicher, wer nun mehr über das sonderbare optische Arrangement in der Sauna â Dienststellenleiter thront über vor ihm kniender, sehr attraktiver Mitarbeiterin â staunte, Elisabeth Gsell oder Sepp Kastner, der, wie er gleich betonte zu sagen, »komische Geräusche« gehört habe und deshalb auch herbeigeeilt sei.
»Was machtâs ihr denn da?«, wollte er eifersüchtig wissen.
»Mir machen gar nix. Mir ist nur der Deckel von der Tupper runtergefallen«, sagte Nonnenmacher bestimmt. Und zu Anne: »Finden Sie ihn, Frau Loop?«
Alle drei schauten auf Annes Hintern, was ihnen aber erst bewusst wurde, als dieser sich langsam wieder zurück in Richtung Saunatür bewegte.
Als Anne aufschaute, sah sie die Blicke und kombinierte sofort: »So, war das rund und gut? Dann darf ich euch jetzt etwas zeigen, was euch vielleicht noch mehr interessiert als mein Po.« Sie drückte Nonnenmacher mit der linken Hand den Deckel seiner Box in den Schoà und hielt zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand den kleinen Zettel mit der abgerissenen Kante in die Höhe. »Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein groÃer Schritt für uns.« Nonnenmacher, Kastner und Gsell schauten ungläubig auf den Papierschnipsel.
»Und warum?«, fragte Kastner.
»Weil da draufsteht Die Tegernseer Kammerjäger .«
Nonnenmacher, Kastner und Gsell starrten Anne Loop an, als wäre sie verrückt geworden.
»Ach so, das wisst ihr noch nicht: Der Sebastian Hörwangl, der Klaus Amend und der Pius Nagel nennen sich selbst die âºTegernseer Kammerjägerâ¹. Das haben die mir mal â ich glaube eher aus Versehen â bei einem informellen Gespräch gesagt. Dieser Zettel ist also wohl Teil eines Briefs oder einer Nachricht an Herrn Kürschner. Den Rest vom Brief habe ich zwar nicht gefunden, aber immerhin haben wir mit diesem Papierfetzen ganz klar eine Spur. Warum sollte von denen denn gerade jetzt ein Zettel in einem Mülleimer Kürschners liegen? Zufall? Sicher nein! Da muss es also irgendeine Verbindung geben.«
»Also mir sind keine Kammerjäger bekannt«, merkte Elisabeth Gsell an. »Wie sollen diese Herren heiÃen?«
»Hörwangl, Amend und Nagel«, antwortete Anne bestimmt.
»Wenn die mal bei uns gewesen wären, dann wüsste ich das«, sagte Frau Gsell selbstbewusst. »Wir hatten auch nie Probleme mit Ungeziefer.
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